Brian Lumleys Necroscope Buch 3: Blutmesse (German Edition)
wieder frei, um für sich selbst zu sorgen – bis zur nächsten Gefangennahme vielleicht, wenn die Sonne erneut im Sinken begriffen war.
Und falls die Wamphyri wirklich kamen, übergab man den Lords, den Kriegern und Untoten ihren Tribut von einhundert Menschen, und sie trollten sich wieder. Kurz gesagt, die Wamphyri kamen als Steuereintreiber und taten jenen nichts, die diesen regelmäßigen menschlichen Tribut zahlten.
Das führte dazu, dass die Menschen in Gorgans Stamm fett, bequem und immer sorgloser wurden. Sie verloren ihren angeborenen Drang zum Weiterziehen, um die Überfälle der Wamphyri zu meiden, sie benutzten regelrechte Straßen, Wasserlöcher und Raststellen, und ihre Züge entlang der Hänge auf der Sonnenseite wurden immer vorhersehbarer. Im Gegensatz zur Natur der Traveller waren ihren Routen nicht mehr geheim. Sie verbargen sich nicht, und waren deshalb leicht aufzuspüren. Die Nächte voller Frieden und Ruhe wurden zwar seltener, denn immer häufiger tauchten die Wamphyri auf und verlangten ihren Tribut, aber was machte das schon? Der Stamm lebte doch in Sicherheit, oder?
Doch diese Sicherheit währte nur so lange, bis die vorübergehende Allianz aus einer Handvoll der Wamphyri-Lords zerbrochen war, bis sie sich stritten und übereinander herfielen. Und dann baute jeder einzelne dieser Lords seine eigene Streitmacht wieder auf, füllte seine Lagerhäuser, befestigte die alten territorialen Grenzen und kehrte wieder zu den Traditionen der Wamphyri zurück. Wenn sich die Heere auf den Krieg vorbereiteten – nicht gegen einen gemeinsamen Feind, sondern untereinander, jeder Lord gegen seine Nachbarn –, griff jeder von ihnen auf sämtliche erreichbaren Ressourcen zurück, ohne an Vorratswirtschaft zu denken. Und die natürlichen Nahrungsressourcen der Wamphyri waren schon immer Fleisch und Blut der Traveller gewesen!
In einer einzigen Nacht des Schreckens, der Zeit zwischen Sonnuntergang und Sonnenaufgang, also nur vierzig Stunden, wurde Gorgans Stamm ausgerottet! Die Wamphyri waren gekommen: zuerst Shaithis, um den üblichen Tribut zu fordern, den er auch erhalten hatte, dann Lesk der Vielfraß und schließlich Lascula Langzahn. Es hätten noch mehr kommen können – Belath und Volse und die anderen –, aber da war schon nichts mehr vorhanden, was sie hätten mitnehmen können, oder falls sie doch gekommen waren, befanden sich die wenigen Überlebenden nicht mehr in den üblichen Verstecken, um auf sie zu warten. Denn als die Lords Lesk und Lascula nach Shaithis angekommen waren und keinen Tribut mehr vorgefunden hatten, machten sie sich ganz einfach daran, zuerst den Ältestenrat zu töten und dann die Blüte des Stammes wie Vieh wegzutreiben. Woraufhin die Handvoll der Überlebenden, etwa fünfzig Alte und hundert Kinder, geflohen waren und sich verbargen, wo immer sie ein Versteck fanden. Asyl gewährte man ihnen nirgends, denn die meisten der Traveller verachteten und verabscheuten die Mitglieder von Gorgans Stamm. Nach dieser Nacht existierte der Stamm nicht mehr, und der junge Gorgan hatte sich geschworen, niemals wieder an ›Geschäfte‹ mit den verräterischen Wamphyri zu glauben. Lardis war der gleichen Meinung, er ließ die anderen Stammesführer tun, was sie wollten, doch seine Leute würden sich jedenfalls niemals den Wamphyri unterwerfen oder Brüder und Schwestern unter den Travellern aus purem Eigennutz den unmenschlichen Herren der Sternseite ausliefern.
Und Lardis’ Überzeugung wurde ihnen zum Vorteil. Es gab noch immer Stämme, die den Wamphyri auf die eine oder andere Art Tribut zollten, vor allem, indem sie ihnen entweder gefangene Traveller der anderen Stämme anboten oder Lose zogen und die unglücklichen Mitglieder des eigenen Stammes auslieferten. Diese demütigen Speichellecker der Wamphyri kamen zumeist aus Stämmen im Osten, die häufig mehr als tausend Mitglieder zählten. Diese Größe schützte sie vor Racheakten der Stämme ihrer Opfer und gestattete ihnen auch diesen regelmäßigen Aderlass, ohne sie wesentlich zu schwächen. Auf der Ostseite des Passes gab es reichlich Wild, und das Überleben fiel ihnen auf gewisse Weise leichter. Das war Lardis klar, trotzdem hielt er sich mit seinem Stamm westlich des Passes auf. Dort war das Überleben ein wenig schwerer, aber die Sicherheit vor den Wamphyri größer. Während die Sonne am Himmel stand, hatte er Wachen auf der südlichen Seite des Passes aufgestellt, um die sich auf Wanderschaft befindlichen Stämme
Weitere Kostenlose Bücher