Brian Lumleys Necroscope Buch 3: Blutmesse (German Edition)
»Also, wie sieht es aus? Reden Sie mit mir, oder soll ich Sie einfach hier zurücklassen?«
»Sie sind ein Feind meines Landes!«, sprudelte Luchow hinaus. Er spürte die Kälte, die ihm langsam in die Knochen drang.
»Diese Anlage da unten«, Harry deutete auf den riesigen Bleischirm, der unter ihnen das Institut überspannte, »scheint mir eine Gefahr für die ganze Welt – oder könnte es zumindest werden.«
»Wenn ich Ihnen irgendetwas über das Institut erzähle, bin ich ein Verräter.«
Dies Geplänkel führte zu nichts, und auch Harry spürte jetzt die Kälte. »Hören Sie mir zu. Sie haben gesehen, wozu ich in der Lage bin, aber Sie haben noch nicht alles gesehen. Ich bin auch ein Necroscope, ich kann mit den Toten reden. Ich kann also mit Ihnen reden, solange Sie noch leben, ich kann aber auch warten, bis Sie tot sind. Und wenn Sie tot sind, werden Sie wahrscheinlich nur zu froh sein, mit mir zu reden, Viktor, denn dann bin ich Ihr einziger verbliebener Kontakt zur richtigen Welt.«
»Mit den Toten reden?« Luchow sackte noch weiter in sich zusammen. »Sie sind wahnsinnig.«
Harry zuckte die Achseln. »Offenbar wissen Sie nicht sehr viel über ESPer. Ich schätze, Sie und Khuv reden nicht oft miteinander?«
Luchows Zähne klapperten jetzt. »ESP? Hat das hier etwas mit ESP zu tun?«
Harry fehlte es langsam an Zeit und Geduld. »Okay«, sagte er und richtete sich wieder auf. »Ich sehe, Sie brauchen ein wenig Bedenkzeit. Deshalb werde ich Sie jetzt verlassen. Ich gehe dahin, wo es warm ist. Ich komme in fünf Minuten wieder, vielleicht auch zehn. Sie können es sich ja so lange überlegen, entweder Sie reden mit mir oder versuchen, hier die Felswand hinunterzuklettern. Ich persönlich glaube nicht, dass Sie das schaffen werden. Ich glaube, Sie werden hinunterfallen, und dann reden wir wieder miteinander, wenn ich Ihre Leiche auf dem Grund der Schlucht gefunden habe.«
Luchow klammerte sich an Harrys Handgelenk. Es war alles ein Albtraum – es musste einfach ein Albtraum sein –, aber es kam ihm schrecklich real vor, so real wie der Knöchel aus Fleisch und Blut, den er umklammerte. »Warten Sie! Warten Sie! Was ... was wollen Sie wissen?«
»So ist es schon besser.« Harry zog Luchow auf die Füße und nahm ihn mit an einen Ort, wo es angenehmer war; an einen Strand unter der Abendsonne Australiens. Luchow fühlte den heißen Sand unter seinen Füßen, sah den glitzernden Ozean mit seinen endlosen Wellenbergen, und plötzlich gaben seine Beine unter ihm nach. Er saß im Sand, mit großen Augen, zitternd und völlig aufgelöst.
Der Strand war menschenleer. Harry blickte auf Luchow hinunter und nickte. Dann zog er sich bis auf die Unterhose aus und ging schwimmen.
Als er wieder aus dem Wasser kam, war Luchow so weit und redete ...
Es dunkelte bereits, als Luchow fertig war und Harry keine Fragen mehr hatte. Einige Autos rasten ein paar hundert Meter weit entfernt den Strand herunter und spuckten junge Leute mit Decken und Grillutensilien aus. Gelächter und Rockmusik wurden vom Wind herübergetragen.
»In Perchorsk wird es jetzt Morgen sein. Die Sonne ist schon aufgegangen«, sagte Harry. »Aber sie werden immer noch wie aufgescheuchte Hühner herumlaufen und nach Ihnen suchen. Wenn Khuv einen Spürer hat, dann wissen sie ungefähr, wo Sie sind. Aber um völlig sicherzugehen, werden sie das Institut einmal komplett durchsuchen. Mittlerweile werden alle, die daran beteiligt sind, hundemüde sein. Khuv weiß jetzt mit Sicherheit in etwa, mit wem er sich eingelassen hat.
Und nun hören Sie mir genau zu: Sie haben mir geholfen, und daher gebe ich Ihnen einen guten Rat. Es kann sein, dass ich Perchorsk zerstören muss. Nicht, weil ich das will oder im Interesse eines bestimmten Landes oder einer bestimmten Gruppe, sondern im Interesse der Menschheit. Selbst wenn mir etwas zustoßen sollte, wird Perchorsk zerstört werden. Die USA werden nicht einfach herumsitzen und zusehen, wie Monster sich von da aus ausbreiten.«
»Natürlich«, sagte Luchow, »ich habe diesen Fall vorhergesehen. Vor einigen Monaten habe ich eine entsprechende Warnung an meine Vorgesetzten geschickt und Vorschläge gemacht. Man hat diese Warnung beherzigt und die Vorschläge akzeptiert. Noch diese Woche, vielleicht sogar schon morgen – heute – werden die ersten Lastwagen aus Swerdlowsk in Perchorsk eintreffen. Sie liefern einen Selbstzerstörungsmechanismus. Sie sehen also, wenigstens in diesem Punkt stimmen wir überein.
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