Bride 02 - Tempel Der Liebe
sie besaß gewiss mehr Anstand als diese ausländischen Teufel. Hastig kritzelte sie ein paar Worte. »Lord Maxwell, Ihr und Eure Familie wünscht mich loszuwerden. Euer Wunsch wird somit erfüllt.« Sie unterschrieb mit den chinesischen Zeichen für Mei-Lian.
Mit einer Tasche in jeder Hand trat sie in den oberen Flur hinaus, blickte aus einem Seitenfenster, um nachzusehen, ob die Kutsche schon vorgefahren war. Zu ihrer Erleichterung stand sie bereit. Unbemerkt eilte sie die Treppen hinunter und hinaus. »Fahren Sie zur nächsten Kutschstation, bitte.«
Wie Bessy blickte der Kutscher fassungslos auf ihr Gepäck. »Mylady?«
Sie warf ihm den gelangweilten Blick eines Tai-tai zu, der ungehalten war. Eilig verstaute er ihre Taschen und half ihr beim Einsteigen.
Erst als sich das Gefährt in Bewegung gesetzt hatte, lehnte sie sich in die Samtpolster zurück. Die Anspannung wich. Sie zitterte am ganzen Körper. Es war vorbei. Sie war die Geliebte, die ihren Liebhaber verlassen hatte, und das hätte sie eher tun sollen.
Von dem Geld, das Kyle ihr vor ihrer gemeinsamen Reise gegeben hatte, und den Rücklagen von Gavin Elliott würde sie mehrere Monate leben können. Sie würde nach Schottland gehen. Vielleicht konnte die Handelsgesellschaft in Edinburgh einen Mitarbeiter gebrauchen, der Chinesisch schrieb und sprach. Wenn nicht, dann würde sich für sie etwas Passendes in London finden. Ob Gavin Elliott noch ihre Dienste brauchte, nachdem sie bloß die Geliebte und nicht die Witwe seines ehemaligen Partners war? Wenn nicht, dann konnte sie auch nichts daran ändern. Sie würde schon Arbeit finden.
Mit versteinertem Gesichtsausdruck warf sie Dornleigh einen letzten Blick zu. Sie hatte Lord Maxwells Hilfe gebraucht, um nach Britannien zu gelangen, und die hatte sie bekommen und obendrein noch ausreichend Geld, um die ersten Monate zu überbrücken und in England oder Schottland Fuß zu fassen. Sie waren ihren gegenseitigen Verpflichtungen nachgekommen und jetzt stand nichts mehr zwischen ihnen.
Nichts.
KAPITEL 32
Kyle hatte sich nach Kräften bemüht, die Worte des alten Wrexham an sich abprallen zu lassen, aber dann traf es ihn wie ein Blitzschlag, als der alte Drachen sagte: »Sie kann nach London ziehen und sich nach Lust und Laune einen Liebhaber nach dem anderen nehmen. Du warst gewiss nicht der Erste und wirst auch nicht der Letzte sein.«
Kyle kämpfte um Beherrschung, um gegen seinen eigenen Vater nicht gewalttätig zu werden. »Troths Ehre und Tugend sind untadelig, und ich erlaube nicht, dass sie von dir oder einem anderen Menschen beleidigt wird. Habe ich mich deutlich ausgedrückt?«
Wrexhams Kiefer sank nach unten. »Du wagst es, so mit deinem Vater zu sprechen?!«
»Die Pflichten eines Ehemannes gegenüber seiner Frau haben den Vorrang auch vor denen, die er seinem Vater gegenüber schuldet«, sagte Kyle ruhig. »Du redest so, als ob Troth nicht gut genug für mich sei. In Wirklichkeit trifft das Gegenteil zu. Ich bin nicht gut genug für sie.«
Der Graf machte eine wütende Handbewegung. »Schön, wenn du darauf bestehst, dann ist sie rein wie frisch gefallener Schnee und eine Zierde ihres Geschlechts. Aber trotzdem ist sie nicht die passende Ehefrau für dich.«
»Wenn du sie nicht als meine Frau akzeptieren willst, dann bin ich nicht dein Sohn! Fühle dich frei, mich zu enterben.«
Wrexhams Gesicht nahm eine ungesunde rote Färbung an. »Du weißt sehr wohl, dass ich das nicht machen kann! Der Titel und der größte Teil des Besitzes stehen dir zu. Alles geht vom ältesten Sohn auf den ältesten Sohn. So war es und so wird es immer sein.«
Kyle starrte ihn an. »Was bedeutet, dass ich jede verdammte Dummheit machen kann und du hast nichts gegen mich in der Hand.«
»Ja. Verlange ich zu viel von dir, wenn ich erwarte, dass du weise und ehrenhaft handelst?«
Kyle stand auf und ging ärgerlich auf und ab. An den Schläfen pochte der Puls. Er hatte es bisher vermieden, mit seinem Vater allein zu sein, weil ihm klar gewesen war, dass es zu dieser Auseinandersetzung kommen würde und er nicht in der Lage wäre, eine Lösung für diesen Konflikt zu finden. Auf der einen Seite war er Troth gegenüber verpflichtet und auf der anderen Seite dem Wunsch seines Vaters, der Familientradition treu zu bleiben. Jetzt konnte er nicht länger um den heißen Brei herumreden. Er musste sich stellen. Aber wie, zum Teufel, ließ sich dieser Streit beenden, ohne dass er sich mit seinem Vater auf ewig
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