Bride 02 - Tempel Der Liebe
von Hugh Montgomery.
Niemals würde sie ein volles Mitglied der Gemeinde werden und wahrscheinlich gäbe es kaum Nachbarn, die sich für die große weite Welt jenseits von Schottland interessierten. Auch mit einer liebevollen Familie im Hintergrund würde sie in vieler Hinsicht isoliert sein.
»Ich habe mich noch nicht entschieden«, meinte sie mit erzwungener Leichtigkeit. »Melrose ist nett, aber klein. Es dürfte schwierig sein, einen heimlichen Geliebten zu haben, um mein Leben mit Yang zu versorgen.«
»Yin und Yang haben jedenfalls sehr viel damit zu tun, warum die Menschen heiraten.« Er blickte sie forschend an. »Auf diesem Gebiet hatten wir keine Schwierigkeiten.«
»Aber das ist nicht genug.« Da sie gleich zu Beginn der Reise reinen Tisch machen oder zumindest die Fronten klären wollte, fuhr sie fort: »Ich verstehe dich nicht, Kyle, oder besser gesagt, deine Vorbehalte gegen die Ehe. Wieso glaubst du, du würdest nicht zum Ehemann taugen?«
»Wie ich sehe, ist die fernöstliche Feinheit der schottischen Direktheit gewichen«, sagte er ein wenig spöttisch und wandte den Blick wieder auf die Straße.
»Das ist keine Antwort.«
»Wenn ich darauf eine klare Antwort hätte, würde ich sie dir geben.« Ein Muskel bewegte sich an seinem Kiefer. »Ich fürchte ... ich fürchte, dass mir da etwas fehlt.«
Eine lange, hügelaufwärts führende Wegstrecke dachte sie über seine Worte nach. Vielleicht versuchte sie es noch einmal weniger direkt. »Warum hast du so viele Reisen unternommen? Nur um die Wunder dieser Welt zu sehen? Oder gab es tiefere Gründe?«
»Beides.« Er hielt die kleine Kutsche an, als eine Schafherde die Straße kreuzte. »Ich hatte Gefallen daran, verschiedene Länder zu sehen und deren Sitten und Gebräuche kennen zu lernen, aber es ging mir nicht so sehr darum, Wissenswertes zu erfahren, sondern um ... Verständnis.«
Wissen konnte man aus jedem Buch erwerben, wollte man aber etwas verstehen, musste man tiefer schürfen. »Hast du es gefunden?«
»Manchmal, vor allem in Hoshan, wo mich ein nie gekannter Frieden erfasste und ich schemenhaft begriff, wo mein Platz im Universum war.« Sein Mund verzog sich schmerzhaft. »Aber alles, was ich zu finden geglaubt hatte, verschwand in Fengtang.«
»Was dir fehlt, muss ein Teil deiner Seele sein, denn sie ist die Grundmauer deines Seins und ein Loch im Fundament schwächt das gesamte Bauwerk«, sagte sie nachdenklich.
»Wahrscheinlich hast du Recht... aber wie lässt sich ein Loch in der Seele ausbessern?« Vergeblich versuchte er die tänzelnden Pferde zu beruhigen, die durch die endlos vorbeiziehenden Schafe nervös wurden. »Jetzt haben wir lange genug über meine Eheuntauglichkeit gesprochen, nun zu dir. Du befürchtest, nicht in meine Welt zu passen. Mit welchen Gegebenheiten könntest du dich nicht abfinden?«
»Ich sehe mich nicht als Gräfin, schon gar nicht als glänzende Gastgeberin in London«, antwortete sie und blieb bewusst bei diesen Äußerlichkeiten.
»Warum nicht? Aus Schüchternheit, mangelnder Erfahrung im Umgang mit der Gesellschaft oder aus dem Gefühl heraus, Ausländerin zu sein?«
»All das spielt eine Rolle.«
»Aber wenn du willst, kannst du einen Ballsaal voller Aristokraten mit deiner Schönheit, deinem Witz und deinem Charme bezaubern. Das hast du auf Dornleigh bewiesen, und wenn du es versuchtest, würde dir das auch in London gelingen.«
»Wenn ich deine Nachbarn aus Northamptonshire beeindruckt habe, dann nur, weil ich zu verärgert war, um mich darum zu scheren, was sie von mir dachten.«
»Und genau das ist das Geheimnis vieler großer Schönheiten ... sie kümmern sich einen Deut darum, ob sie den Menschen gefallen oder nicht. Und weshalb? Weil sie Selbstvertrauen besitzen und den Erwartungen der Masse mit rücksichtslosem Desinteresse begegnen. Sie faszinieren, auch wenn sie nicht schön sind, und das sind sie, weiß Gott, oft nicht, wenigstens nicht objektiv gesehen.«
»Wenn Schönheit nicht erforderlich ist, dann kann ich wenigstens diesen Punkt für mich buchen.«
»Im Gegenteil. Du bist von einer Schönheit, die den Männern den Atem verschlägt, aber durch deine Bescheidenheit stichst du die anderen Frauen nicht aus. Bei dem Ceilidh oder bei dem Empfang auf Dornleigh hast du alle bezaubert.« Er blickte sie voller Ironie an. »Oh, dann ist es dir bei dem Fest wahrlich meisterhaft gelungen, Vergnügtheit und Freude vorzutäuschen.«
Betroffen erkannte sie, dass er Recht hatte; bei
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