Bride 02 - Tempel Der Liebe
besitzt aber einen bewundernswerten Sinn für Gerechtigkeit. Er verstand die glühende Liebe meiner Mutter zu ihrem Tal und ihren Wunsch, ihrem Volk zu helfen. Mehrere Monate im Jahr verbrachte sie in Schottland als Lady of Kinnockburn. Wie eine Bauersfrau lief sie barfüßig im schottischen Plaid herum. Wir Kinder waren auch sehr oft hier. Vor allem ich, da es ja einmal meine Aufgabe sein würde, für das Wohlergehen der Leute im Tal zu sorgen.«
»Bist du auch barfüßig herumgelaufen?«
»Selbstverständlich.«
»Das erklärt sehr viel«, meinte Troth nachdenklich. »Die Bauern hatten Glück, dass deine Mutter diesen Vertrag abschließen konnte und wollte. Haben sich dein Vater und deine Mutter geliebt?«
»Ich denke schon. Jeder von ihnen stellte die Pflicht vor sein persönliches Vergnügen. Wahrscheinlich hat sie dies am stärksten miteinander verbunden.«
»Deine Mutter muss bestimmt eine fabelhafte Frau gewesen sein.«
»Du hättest sie gemocht, Troth. Sie hätte dich vom ersten Augenblick an in ihr Herz geschlossen.«
Troth zog den Campbell-Plaid fester um sich. »Wie gern hätte ich sie kennen gelernt.«
»Lucia ähnelt ihr sehr. Uns drei Kindern sieht man den Highlander an.«
Als der Pfad noch steiler wurde, stiegen sie den Berg in Zickzacklinien hinauf, was zwar die Entfernung vergrößerte, das Aufsteigen aber erleichterte. Obwohl sie mehrmals eine Verschnaufpause einlegen mussten, dachte Troth nicht daran, wieder umzukehren.
Auch nicht, als sie durch das verfallene Tor gingen, das zu dem untersten der drei Burgwälle führte, und Troth erschöpft in den Schatten des nächsten Baumes schwankte. »Wenn du das nächste Mal von einem steilen Berg sprichst«, keuchte sie, »mache ich auf der Stelle kehrt.«
Sie wollte sich gerade auf den Boden fallen lassen, als ein struppiges Katzentier mit gebleckten Zähnen und furchtbarem Gefauche hinter dem Baum hervorsprang.
Troth quietsche entsetzt auf und machte einen Satz zur Seite. »Was ist das?«
Er packte sie am Arm und zog sie noch ein Stückchen weiter weg. »Eine Wildkatze. Siehst du die Streifen und Schnurrhaare? Sie ist eine nahe Verwandte der getigerten Katze deiner Großmutter. Das Fell ist nur aufgestellt, darunter ist sie kaum größer als eine Scheunenkatze.«
»Mit dem Unterschied, dass mich Großmutters Katze mag. Diese Wildkatze hier sieht aus, als ob sie mich zum Mittagessen verspeisen möchte.« Troth ging um den Baum herum und behielt die grimmig blickende Katze im Auge.
»Um diese Zeit bekommen die Katzen Junge. Ihr Bau dürfte hier irgendwo in der Nähe sein. Und das beweist, wie wenige Menschen hier heraufkommen. Für gewöhnlich sind Wildkatzen sehr scheu.«
»Macht Mutterliebe das Weibchen gefährlich?«
»Das sagt man. Du würdest deine Kinder auch wütend verteidigen, da bin ich sicher.«
Sie sah ihn kurz von der Seite an und wandte sich ab. »Ich sterbe vor Hunger. Vielleicht könnten wir auf diesem Wall etwas essen, bevor wir weiterklettern?«
Auch er war hungrig. Unter einem etwas weiter entfernten Baum breitete er eine Decke aus. Von hier aus hatten sie einen herrlichen Blick auf die felsigen Hügel und die malerischen Ruinen. Dann packte er den Korb aus. Während sie sich mit Brot und kaltem Braten stärkten, kam Wind auf. Er fegte durch die Blätter des Baumes und jagte Wolkenfetzen über sie hinweg. »Ich glaube, ein Unwetter zieht herauf. Wir werden uns mit der Besichtigung der Burg beeilen müssen, damit wir noch rechtzeitig zur Kutsche zurückkommen.«
»Das Wetter wechselt hier wohl ständig«, entgegnete sie. »Erst in Schottland habe ich begriffen, dass man in der Sonne stehen kann, während einem die Regentropfen auf den Kopf fallen. Jetzt weiß ich, wieso du eine Kutsche mit Verdeck gemietet hast, das man im Notfall schließen kann.«
»Tja, typisch für Schottland, aber all das wolltest du ja erleben.« Troth war die ideale Reisegefährtin und er konnte sich nur schwer vorstellen, sie nicht an seiner Seite zu haben. Wie gern würde er Italien mit ihr bereisen, Frankreich, Spanien ...
Doch wahrscheinlich würde sie bald verkünden, dass der handfast abgelaufen sei und er sie von seiner unerwünschten Gegenwart befreien möge. Diese Vorstellung schmerzte ihn derart, dass er sie am liebsten hier an Ort und Stelle verführt hätte, damit sie ihre leidenschaftliche Liebe ein Leben lang nicht vergaßen.
Er war nahe daran, sich über sie zu beugen und sie zu küssen, als sie ein Gähnen unterdrückte und
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