Bride 02 - Tempel Der Liebe
Steinchen für sein persönliches Mosaik zu sammeln, und jetzt erkannte er verschwommen das Gesamtmuster.
Obwohl er ihre Schritte auf dem Steinfußboden nicht gehört hatte, war er nicht überrascht, als Troth die Hand auf die seine legte. Als sie neben ihm auf der Kirchenbank Platz genommen hatte, öffnete er die Augen. »Ich glaube, ich habe das fehlende Teil meiner Seele gefunden.«
Sie blickte ihn ernst an. »Und wie?«
»In Hoshan habe ich die Erweiterung meines Bewusstseins erfahren«, sagte er langsam. »Es begann mit der verheerenden Erkenntnis meiner Fehler und Versäumnisse. Aber erst als mein Stolz und Hochmut abgefallen waren, habe ich die göttliche Gnade erkannt, die mir in ihrer Grenzenlosigkeit meine Schwächen vergab und mich mit Licht erfüllte.
Meiner Meinung nach ist es für diejenigen von uns, die keine Heiligen sind, unerträglich, in diesem exaltierten Zustand zu verharren. Trotzdem habe ich Hoshan in dem Bewusstsein verlassen, der geistigen Gnade der Erleuchtung noch nie so nahe gewesen zu sein. Dann wurde ich gefangen genommen und mir schien, als hätte ich alles verloren, was ich je erfahren hatte. Erst jetzt erkenne ich, dass ich im Kerker eine weitere, wichtige Lektion gelernt habe.«
»Leiden, um das Mitgefühl zu steigern?«
»Das war sicherlich ein Teil davon, aber wichtiger war es, den völligen Verlust der Selbstbeherrschung zu ertragen.« Er lächelte ironisch. »Fast mein ganzes Leben lang besaß ich die Macht, meine Welt nach meinen Wünschen zu formen. Im Gefängnis war ich machtlos. Wann und was ich aß, meine körperliche Bewegungsfreiheit, sogar mein Sein - all das lag in den Händen anderer. Als das Fieber zuschlug, war ich nicht einmal mehr Herr meines eigenen Körpers. Am Ende der Gefangenschaft habe ich für meinen Tod gebetet. Es war, als ob man mir mein Ich entrissen hätte.«
»Aaahhh.« Sie atmete langsam aus. »Kein Wunder, dass du bei deiner Rückkehr nach England in diesem entsetzlichen Zustand warst. Deine Seele hatte sich von deinem Körper getrennt und die beiden haben sich nur langsam wiedergefunden.«
»Das hast du gut ausgedrückt.« Er forschte in ihrem Gesicht. »Deine Erfahrungen waren ähnlich. Nur war deine Gefangenschaft leichter zu ertragen und deine Zelle größer, aber du warst eingekerkert, unfähig, eine Frau zu sein oder beide Seiten deines Erbes auszuleben. Begreiflich, dass du dich nicht wieder in Gefangenschaft begeben möchtest, nachdem du ihr gerade entronnen bist.«
Troth riss die Augen weit auf. »Ja! Das ist es. Die Ehe erscheint mir wie ein Gefängnis.«
»Ich werde dich nie einsperren, Troth Mei-Lian«, sagte er leise. »Wenn meine Erfahrung in Fengtang mir zeigen sollte, dass ich mein Leben nur so weit in der Hand habe, wie Gott es mir gewährt, müsste ich ein dreimal verdammter Narr sein, deinem nach Freiheit dürstenden Geist Fesseln anzulegen.«
Sie schluckte. »Ihre Überredungskunst ist gefährlich, Lord Maxwell.«
»Im Gegenteil.« Sein Blick schweifte zum Kreuz am Altar. »Ich Dummkopf bin schwer von Begriff und muss meine Lektionen immer wieder lernen.«
»Mit jeder Lektion lernt der Schüler ein wenig dazu.« Ihre Finger schlössen sich fester um seine Hand. »Wärst du gerne Geistlicher in deiner Kirchengemeinde geworden?«
»Ich glaube, dass ich in diesem Amt nicht viel ausgerichtet hätte. Mein persönlicher Dienst an der Kirche wird eher darin bestehen, das mir durch mein Erbe zufallende Patronat gerecht und weise auszuüben. Abgesehen davon werde ich in Zukunft des öfteren Orte wie diesen aufsuchen, damit sich in meiner Seele keine neuen Löcher bilden.« Er hob ihre aufeinander liegenden Hände an die Lippen und gab ihr einen Handkuss. »Wollen wir jetzt zur Burg hinaufsteigen?«
Sie lächelte ihn betörend an. »Ja, Mylord.«
Wenn sie den höchsten Punkt erreicht hatten und meilenweit in alle Richtungen schauen konnten, würde er sie bitten, seine Frau zu werden. Das hatte er beschlossen. Schließlich war die Ehe das Ziel der Werbung.
Und wenn sie ihm heute nicht das Jawort gab, schön, dann würde er sie morgen wieder fragen.
KAPITEL 43
Troth hielt Kyle an der Hand und stieg, von der reinen Ausstrahlung seines Chi beflügelt, in bester Stimmung zum zweiten Burgwall hinauf. Auch ohne seine Erklärungen hätte sie gewusst, dass der Aufenthalt in der Kapelle seine seelische Heilung vorangetrieben hatte. Das Heilwerden war schrittweise erfolgt, da er nach dem in China erduldeten Martyrium um seine
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