Bride 02 - Tempel Der Liebe
Burg waren durchweg mehrere Hände breit. Man konnte also bequem darauf gehen.
Abgesehen davon - eine andere Möglichkeit gab es nicht, sonst müssten sie und Kyle hier sterben.
Sich vorsichtig aufrichtend, kam sie wieder auf die Füße und lief so schnell es die heftigen Windböen erlaubten, auf der Mauer weiter. Dunkle Sturmwolken zogen rasch heran. Der Regen würde die Steine gefährlich glatt machen.
»Ich schlage Ihnen einen Handel vor, Maxwell«, brüllte Logan. »Mir wäre es lieber, man würde Ihre Leiche ohne Kugeln im Bauch finden. Wenn Sie Ihre Pistole wegwerfen und herauskommen, könnten Sie durch einen angenehm schnellen Sturz von der Mauer zu Tode kommen und müssten nicht qualvoll an einem Bauchschuss krepieren.«
Kyle lachte, als ob es sich um eine kleine Wette handelte und nicht um Mord. »So oder so bin ich tot. Was bringt es mir, wenn ich mich Ihnen freiwillig ergebe?«
Troth erreichte das Ende des zweiten Gebäudes. Das dachlose Gemäuer vor ihr war etwas höher, aber nicht sehr viel. Der Wind zerrte an ihren Kleidern, während sie sich weiter zu dem dritten Gebäude vorarbeitete. Dann blieb sie stehen, um kurz Ausschau zu halten.
Sie war an der nordwestlichen Ecke angelangt und hatte einen ausgezeichneten Blick über den Burghof. Ihr Ausguck lag neben dem Wachturm. Rechts unter ihr konnte sie Logan und Scouse sehen, die mit ihren Gewehren an dem kleinen Eingangstor lehnten.
Beinahe direkt gegenüber von ihnen befand sich der Eingang zum Burgfried. Kyle war links von der Tür in Deckung gegangen. Da er nur mit einer Pistole bewaffnet war, brauchten Logan und Scouse nicht in Deckung zu gehen. Auch wenn ihr Gegenüber aus dem Burgfried auf sie feuerte, war ein Pistolenschuss aus dieser Entfernung wirkungslos.
Sie erkannte Scouse aus Kanton wieder. Der kräftige Mann mit dem runden Schädel war in den Kneipen und Bordellen der Niederlassung wohl bekannt. Er war als Leichtmatrose zur See gefahren und hatte sich mit rücksichtsloser Brutalität zum Kapitän hinaufgearbeitet. Trotz ihrer Wing-Chun-Künste würde er ein gefährlicher Gegner sein.
»Zum Dank für Ihr Entgegenkommen werde ich dafür sorgen, dass Ihre Leiche gefunden wird. Das schwöre ich beim Grab meiner Mutter«, antwortete Logan. »Sonst verschwinden Sie einfach spurlos und keiner Ihrer Angehörigen wird jemals erfahren, was mit Ihnen geschehen ist.«
Troth hielt den Atem an. Kyle würde diese Drohung ernst nehmen. Im Augenblick war er aber zu wütend, um sich mit der Antwort Zeit zu lassen. »Bastard!«, schrie er.
Logan hörte den Ärger heraus und lachte schallend. »Na, na! Sie beleidigen meine Mutter, die streng und rechtschaffen war wie keine zweite.« Er wurde wieder ernst. »Wenn Sie mich noch länger warten lassen, werde ich Ihre Leiche vielleicht doch im Gelände verstecken und keiner außer den Krähen wird sie finden. Sie werden sterben, Maxwell, aber wenn Sie sich bald ergeben, können Sie noch ein Wörtchen mitreden und bestimmen, wie es geschehen soll.«
Nach einer kurzen Pause nahm sie das letzte Mauerstück in Angriff. Wenn sie das Ende erreicht hatte, könnte sie den Mauergang auf der Innenseite der Brustwehr hinunterklettern. Von dort aus wäre es ihr dann möglich, in den Wachturm zu gelangen und anzugreifen. Aber im Augenblick war höchste Vorsicht geboten. Wenn Logan oder Scouse sich umdrehten, würden sie sofort ihre Silhouette am Himmel sehen. Der Gedanke, was für ein leichtes Ziel sie abgeben würde, verursachte ihr ein flaues Gefühl im Magen.
Auf der Mitte der Mauer hätte sie eine heftige Regenbö beinahe von ihrem gefährlichen Weg heruntergerissen. Geistesgegenwärtig duckte sie sich, um das Gleichgewicht zu halten. Im Bruchteil einer Sekunde war sie nass bis auf die Haut. Vor Kälte zitternd, kroch sie weiter.
Logan und Scouse fluchten über den heftig einsetzenden Regen. Instinktiv legte sie sich mit dem Bauch flach auf die Mauer, kurz bevor die beiden Männer sich umdrehten und zu den Wolken hinaufschauten. Zum Glück hatte sich der Himmel verdunkelt, so dass sie die angstvoll an die Mauer gepresste Gestalt nicht entdeckten. In der regennassen Kleidung passte sie sich wie ein Camäleon an das ungleichmäßige Mauerwerk an.
Während sie mit pochendem Herzen auf der Mauer lag, hörte sie, wie Scouse etwas zu Logan sagte und dabei zu der Brustwehr und der südlichen Mauer des Burghofes zeigte. Sie tauschten einige Bemerkungen aus. Troth hatte den Eindruck, dass sie sich stritten. Dann hob
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