Bride 02 - Tempel Der Liebe
gewesen sein musste. Sie hatte seine ganze Liebe gekannt.
Während sich ihr Atem beruhigte, fragte sie sich, wie oft sie so zusammen sein konnten. Zwei Wochen lang vielleicht, während sie nach Hoshan und dann nach Macao reisten. Nicht genug, nie genug. Vielleicht würden sie auch auf der Reise nach Britannien miteinander schlafen können. Die würde wenigstens vier oder fünf Monate dauern, und vielleicht noch länger, wenn die Winde ungünstig standen.
Nein. Sie durfte sich nichts vormachen. Diese Leidenschaft musste enden, wenn er sich wieder unter seinen Landsleuten befand. Sie hatte nur die heutige Nacht und eine Handvoll Tage danach. Sie musste das Beste daraus machen.
Er kämpfte gegen den Schlaf an. Er wollte das Gefühl noch genießen, Troth in den Armen zu halten. Er hatte sich schon lange nicht mehr so erfüllt gefühlt. Eigentlich seit
Constancia krank geworden war. Freundschaft mochte nicht das Gleiche sein wie Liebe, aber sie war sicher eine bessere Grundlage für Intimität als bloße Lust oder eine geschäftliche Transaktion.
Als er aufwachte, tastete er verschlafen nach ihr und entdeckte, dass sie verschwunden war. Der Morgen dämmerte und im bleichen Licht war die nähere Umgebung undeutlich zu erkennen. Da das Gitter noch immer den Höhleneingang verschloss, konnte Troth nicht weit sein.
Er unterdrückte ein Gähnen, stand auf und zog seine Unterkleider an. Dann ertastete er sich den Weg zum Schrein. Dort fand er Troth, die vor Kuan Yin tanzte. Barfuß und so einfach gekleidet wie er, glitt sie mit atemberaubender Eleganz über den steinernen Boden. Ihre Bewegungen waren so geschmeidig wie eine Weide im Wind. Sie trug das Haar noch offen, wirbelte und schwebte mit jedem Schritt. Im dämmrigen Licht besaß sie eine magische Schönheit, die geradezu überirdisch wirkte.
Sie schwebte und machte eine langsame Drehung, die sie zu ihm brachte. Ein Strahlen lag auf ihrem Gesicht. Er spürte einen tiefen Stich. Ihm wurde bewusst, dass diese Begeisterung einem anderen Mann hätte gelten sollen. Einem Mann, der sie so liebte und verehrte, wie sie es verdiente.
Trotzdem, sie war eine erwachsene Frau und in vielerlei Hinsicht klüger als er. Letzte Nacht hatte sie deutlich gemacht, dass sie genau wusste, was sie wollte. Nach all den Jahren in Kanton hatte sie ihre Weiblichkeit ausleben müssen, um Kraft für ihr neues Leben zu schöpfen. Es war ein großes Glück, dass sie ihn gewählt hatte, um sich in das größte Geheimnis des Lebens einweihen zu lassen.
Als sie ihn sah, machte sie eine Verbeugung. »Mylord.«
»Ich bin nicht dein Herr, sondern dein Freund.« Er nahm ihre Hände und zog sie hoch. »Was für ein Tanz war das? Ich habe noch nie so etwas gesehen.«
Sie lächelte. »Es ist kein Tanz, sondern Tai Chi - das sind Übungen, die helfen, die Chi-Energie ins Gleichgewicht zu bringen. Seit ich ein Kind war, damals in Macao, habe ich jeden Morgen im Garten Tai-Chi- und Wing-Chun-Übungen gemacht. Manchmal hat Chenqua mit mir zusammen geübt und gekämpft.«
»Guter Gott. Wie anstrengend. Und das auch noch vor dem Frühstück.« Kein Wunder, dass sie in solch guter körperlicher Verfassung war. »Helfen die Übungen wirklich dabei, sich ausgeglichener zu fühlen?«
»O ja. Wenn ich sie ein paar Tage lang nicht mache, fange ich an, mich schlecht zu fühlen.«
»Das klingt ganz so, als ob mir das auch gut tun würde. Kannst du es mir beibringen?«
»Möchtest du das wirklich?«, fragte sie erstaunt.
»Sofort, wenn du nichts dagegen hast.«
»Dann fangen wir mit den Übungen an, die einem einfachen Muster folgen. Diese hier heißt >Affenabwehr<.« Sie glitt rückwärts von ihm weg. Ihr ganzer Körper war in Bewegung, während sie einen Arm mit gestreckter Hand vor sich hochhob. »Ein Affe begegnet einem Tiger. Er legt eine Pfote auf die Nase des Tigers. Gleichzeitig geht er rückwärts. Während der Affe zurückgeht, streckt er abwechselnd eine Pfote nach der anderen nach vorn, um seinen Feind auf Distanz zu halten.«
Kyle versuchte, ihre Bewegungen nachzuahmen, und fühlte sich sehr ungeschickt. Es war überhaupt nicht so einfach, wie es bei ihr aussah. »Hätte das gestern funktioniert, als der Tiger plötzlich vor dir stand?«
»Das bezweifle ich. Selbst wenn ich so geistesgegenwärtig gewesen wäre, es zu versuchen. Der Tiger hätte mir wahrscheinlich einfach die Hand abgebissen und sich dann auf meine Kehle gestürzt«, sagte sie gut gelaunt. »Streng dich nicht so an, Mylord.
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