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Bride 02 - Tempel Der Liebe

Bride 02 - Tempel Der Liebe

Titel: Bride 02 - Tempel Der Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
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erklärt. Zuerst musste er sich hinknien und beten oder meditieren. Wenn er damit fertig war, musste er die Räucherstäbchen in einen Topf stecken und einen Kotau machen, bevor er wieder aufstand.
    Er bewegte sich mit der Langsamkeit eines alten Mannes und kniete sich auf den kühlen Marmorboden. Endlich hatte er das Herzstück seiner Reise erreicht. Unter der Gaze, die über seinem Gesicht lag, schloss er die Augen und ließ sich vom Geist des Ortes erfüllen. Kraft. Güte. Geheimnisse, die sich den Kenntnissen sterblicher Menschen entzogen.
    Warum hatte ein Sünder wie er diese Reise angetreten? Nicht um sich lustig zu machen. Gott wusste das. Nein, er war auf der Suche nach Weisheit und Gnade.
    Nichts davon verdiente er. Seine Vergangenheit ging ihm durch den Kopf. Seine Erinnerungen waren wie ein eiserner Knoten. Er musste an jeden selbstsüchtigen Augenblick, an jeden wütenden Moment seines Lebens denken. Er und sein Bruder waren einander zehn Jahre lang fremd gewesen. Schuld daran war zum größten Teil seine sture Arroganz. Auch hatte er immer gewusst, wie viel er seinem Vater bedeutete, als Sohn und als Erbe. Trotzdem hatte er bewusst die Wärme zurückgehalten, nach der sich der alte Earl insgeheim sehnte.
    Und Constancia ... Sie war sein Schutzschild und seine Rettung gewesen. Trotzdem war er nicht in der Lage gewesen, ihr zu sagen, was sie ihm bedeutete. Das hatte er erst in der Stunde ihres Todes getan.
    Verzweiflung durchströmte ihn und drohte ihn zu ertränken. Er war gesegnet auf die Welt gekommen und hatte sich seines Glücks als völlig unwürdig erwiesen. Er war oberflächlich, nutzlos, ein Versager in allen Dingen, auf die es wirklich ankam. Lieber Gott, warum war er überhaupt geboren worden?
    Während ihm Tränen über das verbundene Gesicht liefen, berührte jemand zögernd seine linke Hand. Troth. Er nahm ihre Hand. Verzweifelt suchte er nach einem Anker, der ihn aus dem Sturm seiner Selbstbezichtigungen rettete. Troth.
    Sie drückte seine Hand. Er konnte ihr pulsierendes Chi spüren. Es glühte rein und hell. Ihr Mitgefühl wärmte seine dunkelsten Tiefen. Die erste, lichte Berührung wuchs zu einer aufgehenden Sonne, einem reinigenden Feuerball, der all seine Schmerzen, Zweifel, Kleinlichkeiten und seine Reue verbrannte. Er fühlte sich versengt, geschmolzen, verwandelt.
    Ja, er war nicht vollkommen gewesen, hatte zuweilen töricht gehandelt. Aber er war nie böse gewesen. Er hatte seine Macht nie missbraucht, um grausam zu sein. Er hatte seine Pflicht getan und versucht, ein ehrenhaftes Leben zu führen. Jetzt würde er vielleicht lernen können, seine Pflicht mit Freude zu tun. Er verspürte großes Mitgefühl für alles Leid auf dieser Welt und fühlte die unendliche Güte des Göttlichen für die gesamte Menschheit - es gab so viel Mitgefühl, dass selbst für ihn ein wenig davon übrig blieb. Begeisterung durchströmte ihn.
    War das die Klarheit der Seele, die die Christen Gnade nannten? Wie merkwürdig, dass er um die halbe Welt gereist war, um das zu entdecken, was ihm die Priester in seiner Heimat nicht zu vermitteln vermocht hatten. Er hatte ihnen so selten zugehört.
    In meinem Ende liegt mein Anfang. Im Anfang war die Entdeckung des Seelenfriedens. Die Ruhelosigkeit, die ihn angetrieben hatte, seit er ein Kind war, hatte sich aufgelöst, als hätte es sie nie gegeben. Man konnte inneren Frieden nicht nur am anderen Ende der Welt finden, sondern man konnte - man musste - ihn in seinem eigenen Herzen finden.
    Troth bewegte sich neben ihm. Er merkte, dass seine Muskeln und seine Beine vom Knien auf dem harten Marmorboden schmerzten. Er fragte sich, wie lange er wohl in dem Labyrinth seiner Gedanken herumgeirrt war.
    Er fühlte sich wirklich steif genug, um den alten Mann zu spielen. Er steckte die Reste der Räucherstäbchen in den Topf und machte einen Kotau. Dann stand er auf. Troth tat es ihm gleich, war dabei aber sehr viel graziöser als er.
    Zusammen gingen sie durch das Heiligtum und betrachteten die Schreine mit den anderen Gottheiten. Er versuchte sich jedes Bild einzuprägen, jede noch so kleine Einzelheit. Er wollte im Geiste wieder in den Tempel zurückkommen können, auch wenn er körperlich nie mehr hierher reisen durfte. Nur durch Gottes Gnade und mit Troths Hilfe war er jetzt hier.
    Sie verließen den Tempel und begaben sich in den dahinter gelegenen Garten. Er bestand aus verschiedenen kleinen Nischen, in denen man wunderbar nachdenken konnte. Als sie in einem

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