Bride 02 - Tempel Der Liebe
kam sie mit erhitztem Gesicht zu Troth gelaufen. »Troth, ich dachte, es wäre nett, wenn du unsere Nachbarin Jena Curry kennen lernen würdest.« Nachdem sie die beiden einander vorgestellt hatte, schwebte die zierliche Komtess davon. Troth stellte amüsiert fest, dass Meriel ihre seidenen Schuhe ausgezogen hatte.
Jena Curry war eine große, hübsche Frau mit dunklem Haar und dunklen Augen. Es gefiel Troth sehr, eine Frau kennen zu lernen, die größer war als sie selbst. Eine Frau wie Kyles Schwester Lucia oder eben Jena Curry. »Ich freue mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Mrs. Curry.«
»Bitte nenn mich doch Jena, wie alle anderen. Wollen wir einen Spaziergang in der Orangerie machen? Dort können wir frische Luft schnappen.«
Troth nahm die Einladung an. Es war eine Erleichterung, in die friedliche Orangerie zu gehen, wo es so wunderbar nach Blüten duftete.
»Ich liebe diesen Ort.« Jena berührte eine leuchtend rote Blume. »Eines Tages werden wir in Holliwell Grange eine Orangerie bauen, auch wenn es vielleicht merkwürdig aussieht. Holliwell Grange ist viel kleiner als Warfield. Es ist eigentlich nur ein großes Bauernhaus.«
»Das ganze Jahr über von solcher Schönheit umgeben zu sein, ist es das sicher wert. Ich bin auch sehr gern hier. Die Wärme und die Pflanzen erinnern mich an Südchina.«
»Mich erinnern sie an Indien.« Mit raschelnden Röcken setzte Jena sich auf eine Bank, die von üppigen Pflanzen umgeben war.
Troth setzte sich neben sie. »Bist du schon einmal in Indien gewesen?«
»Ich bin dort geboren. Mein Vater war Offizier in der indischen Armee.«
Troth ging im Geiste noch einmal die Gäste durch und erinnerte sich an einen großen, aufrechten Mann, dessen Blick sie nun an Jena erinnerte. »Ist General Arnes dein Vater?«
»Ja. Ich habe die ersten fünfundzwanzig Jahre meines Lebens in Indien verbracht - meine Mutter war Inderin und stammte aus einer sehr hohen Kaste.«
Troth hielt überrascht inne. Sie verstand jetzt. »Deshalb wollte Meriel, dass wir miteinander reden.« Sie betrachtete das Gesicht der anderen Frau. »Bei dir ist es nicht so offensichtlich, dass du ein Mischling bist.«
Jena lächelte. »Du solltest mich in einem Sari neben meinem Ehemann sehen. Er ist Inder. Dann würde ich gar nicht mehr so englisch aussehen. Aber du hast Recht, wenn ich wie eine Engländerin gekleidet bin, sehe ich nur ein bisschen dunkel aus. Deine chinesische Abstammung ist augenfälliger.«
Troth wollte mehr wissen. »Wie ist es für eine Asiatin, hier bei den Briten zu leben?«
»Die Stellung meines Vaters hat mich vor Gemeinheiten geschützt.« Jenas Gesichtsausdruck wurde ernst. »Ich habe nur ein einziges Mal wirklich darunter gelitten. Mein erster Ehemann war entsetzt, als er von meinem beflecktem Blut erfuhr. Das führte zu ... großen Unannehmlichkeiten. Ich war gerade im Begriff, mich um eine Trennung zu bemühen, als er starb.«
Dahinter verbarg sich sicher eine längere Geschichte. Aber Jena würde gewiss nicht gern darüber reden. »Ist dein zweiter Ehemann der große, indische Gentleman, der heute Abend hier ist?«
»Ja. Curry ist die englische Fassung seines Familiennamens.« Jena lachte leise. »Seit Kamal beschlossen hat, den Rest seines Lebens in England zu verbringen, hat er einige englische Bräuche angenommen. Aber sein Bart und sein Turban erinnern mich ständig daran, dass auch ich keine hundertprozentige Engländerin bin. Das möchte ich auch gar nicht sein.«
»Hast du je gedacht, dass es leichter wäre, entweder das eine oder das andere zu sein?«
»Leichter gewiss, aber dann wäre ich nicht ich.« Jena betrachtete Troth mit großen dunklen Augen. »Das Leben muss nicht leicht sein, das ist nicht der Sinn des Lebens. Ich nehme an, dass die Zeit in Kanton nicht immer einfach gewesen ist, aber unterdrücke nicht deine chinesische Seite. Nur Engländerin zu sein würde dich eines wichtigen Teils deines Selbst berauben.«
Das war leicht gesagt für Jena. Mit ihrem Gesicht konnte sie als Europäerin durchgehen. Außerdem lebte sie unter dem Schutz ihres gesellschaftlich hochgestellten Vaters. Ihre erste Ehe war wohl recht unglücklich gewesen. Aber der zweite Mann sah intelligent und entschlossen aus. Das Paar war trotz seiner Fremdheit eindeutig in die örtliche Gesellschaft integriert. Jena konnte nicht wissen, wie es war, wie eine Verstoßene zu leben. Troth hatte ja sogar das eigene Geschlecht verleugnen müssen. »Mit meinem Gesicht kann ich meine
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