Bride 02 - Tempel Der Liebe
haben noch Vorräte in den Satteltaschen. Die können wir essen und dann verführe ich dich.«
»Was für eine wunderbare Idee.« Kyle küsste ihre weiche Schulter und war drauf und dran, ihr Angebot anzunehmen. Stattdessen aber sprang er aus dem Bett. »Ich habe Hunger, und dies ist das einzige Fest, das ich zu sehen bekomme. Später kannst du mich immer noch verführen.«
Sie unterdrückte ein Gähnen, stand auf und zog sich an. »Was für ein unermüdlicher Tourist du doch bist, Mylord.«
»Du hast Recht«, erwiderte er lächelnd, während er zusah, wie sie sich ankleidete. Er verband sich erst die Augen, als nichts mehr von ihrer wunderbaren Haut zu sehen war. Es war ein ungeheuer erotisches Gefühl, der einzige Mann zu sein, der die Schönheit kannte, die sich unter den unförmigen Kleidern verbarg.
Er fragte sich zum tausendsten Mal, ob er sie bitten sollte, in England seine Mätresse zu werden. Sie war eine unvergleichliche Liebhaberin, gewitzt und ebenso liebevoll wie leidenschaftlich. Aber als Geliebte würde sie schon wieder ein Doppelleben führen müssen, würde vom gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen sein. Sie verdiente Besseres - nicht nur den Respekt der anderen, sondern auch die Möglichkeit, einen Mann kennen zu lernen, der sie so liebte, wie sie es verdiente.
Was wäre gewesen, wenn er ihr begegnet wäre, bevor er Constancia traf? Der Gedanke war so verwirrend, dass er ihn verdrängte. Constancia hatte ihn zu dem Mann gemacht, der er jetzt war. Ohne ihren Einfluss wäre er nichts wert gewesen. Sie hatte ihm die Liebe beigebracht - und dann sein Herz mitgenommen, als sie starb.
Das war der einzige schlechte Dienst, den sie ihm erwiesen hatte.
Troth schluckte den letzten Bissen Honiggebäck herunter. Sie war froh, dass Kyle sie überredet hatte, auszugehen. In den Straßen herrschte ein fröhliches Treiben, Laternen erhellten die Nacht, Straßenhändler verkauften köstliche Kleinigkeiten und alte Männer trafen sich mit Freunden an den Straßenecken zum Glückspiel. Eine Wahrsagerin zog sie am Ärmel. »Wollen Sie wissen, was die Zukunft bringt, junger Mann? Reichtum und hübsche Konkubinen warten sicher auch auf Sie.«
Troth schüttelte den Kopf. »Entschuldige, Großmutter, ich möchte lieber nicht wissen, was die Zukunft bringt.« Das stimmte sogar, dachte sie etwas wehmütig.
Sie hielt Kyles Arm fest und ging mit ihm weiter. Bei einem kleinen Puppentheater blieben sie stehen. Es bedurfte keiner Sprachkenntnisse, um die komische Geschichte ehrenwerter Männer, schöner Frauen und böser Zauberer zu verstehen. Sie bewunderte Kyles Fähigkeit, den Kopf wie ein gebrechlicher Alter gesenkt zu halten und doch durch die Gaze jede Einzelheit hungrig aufzunehmen.
Das Schauspiel war zu Ende und sie warf eine Münze in den Korb, den ein kleines Mädchen von der Truppe herumtrug. Sie gingen weiter und kauften zwei winzige Becher mit Reiswein. Der Händler holte das feurige Getränk mit einem lackierten Schöpfer aus einem tiefen Tongefäß. Kyle gefiel der Schöpfer so gut, dass er um einen weiteren Becher bat, während der erste noch in seinem Mund brannte. Troth grinste; Reiswein war recht stark. Er ähnelte eher dem Weinbrand als dem europäischen Wein.
Lautes Trommeln hallte durch die schmalen Gassen. »Die Parade! Komm, Großvater, lass uns einen Platz suchen, von dem aus wir sie sehen können.«
Sie nutzte schamlos Kyles scheinbar hohes Alter aus und fand einen guten Aussichtspunkt für sie. Zuerst schritten die Trommler vorbei. Sie bildeten eine vollkommene Einheit. Dann kamen die Tänzer in grellbunten Kostümen. Es folgten schwarz gekleidete Manchu-Fahnenträger, kaiserliche Soldaten sowie schließlich der Präfekt selbst in einer offenen Sänfte.
Wu Chong war von Höflingen umgeben und in eine reich bestickte Robe gekleidet. Er nickte den Einwohnern seiner Stadt gnädig zu. Seine Augen waren allerdings so kalt wie die einer Schlange; Troth beneidete die Frauen nicht, die es nicht geschafft hatten, ihm einen Sohn zu schenken.
Pfeifen, Trommeln und Becken kündigten die Ankunft der Löwentänzer an. Troth hielt den Atem an, sie war so aufgeregt wie ein Kind. Dann sah sie den riesigen Löwen. Kracher knallten um seine Pfoten und sein bunter Kopf schnappte nach den maskierten Tänzern, die das Biest mit Fächern neckten. Unter dem Kostüm verbargen sich zwei Akrobaten, die das gefährliche Fabeltier zum Leben erweckten. Die Menge klatschte begeistert Beifall. Troth sah dem
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