Bride 03 - Die Entfuehrte Braut
liebte seine Frau und konnte den Gedanken, sie zu verlieren, nicht ertragen.
Alex starrte mit leeren Augen in den Spiegel. Sie zitterte leicht. Wie konnte sie nur annehmen, das Leben in England würde friedlich verlaufen! In weniger als vierundzwanzig Stunden hatte sie eine dunkle Stelle in ihrer Seele entdeckt, war sie einem Mordanschlag nur knapp entkommen und hatte den ersten Streit mit ihrem Mann vom Zaun gebrochen. Ihr war bisher nicht klar gewesen, wie sehr sie von Gavins ausgeglichenem Wesen und seiner seelischen Unterstützung abhängig war. Sie war unglücklich, wenn er ihr gram war.
»Fühlen Sie sich wohl, Mylady?«, fragte Daisy besorgt.
Hoffentlich fürchtete das Mädchen nach diesem Vorfall nicht, dass Gavin gewalttätig werden könnte. Alexandra riss sich zusammen und nahm die dampfende Teetasse vom Tablett. »Mir geht es gut. Mein Mann und ich hatten nur eine kleine Meinungsverschiedenheit.«
Ohne eine weitere Bemerkung sammelte das Mädchen die Kleidungsstücke vom Vortag auf, die Alex nach der Rückkehr von der Polizeiwache auf das Sofa geworfen hatte, weil sie zu müde gewesen war, um nach ihrer Zofe zu läuten. Daisy trug ein schlichtes, aber elegantes Kleid. Sie hatte es sich selbst aus einem rosafarbenen Leinenstoff geschneidert, den Alex ihr geschenkt hatte. Sie hatte ein angeborenes Stilempfinden, um das sie jeder Schneider beneidet hätte. Leider war sie immer noch so ängstlich wie am ersten Tag. Stets schien sie den Tränen nahe zu sein.
»Bist du in diesem Haus glücklich, Daisy?«, fragte Alexandra.
Bei dieser Frage blickte sie das Mädchen überrascht an. »Alle sind so liebenswürdig zu mir, Mylady. Eine solche Freundlichkeit habe ich nie erfahren.«
Und offensichtlich wusste sie nicht, wie sie auf dieses Entgegenkommen reagieren sollte. »Wie kommst du im Lesen voran?«
Daisys Gesicht hellte sich in ehrlicher Freude auf. »Miss Hailey ist eine wunderbare Lehrerin. Sie sagte, sie hätte noch nie eine Schülerin gehabt, die so schnell lernt. Gestern habe ich ein Kapitel aus Miss Katies Buch ganz allein gelesen.« Sie schwieg kurz und fügte dann gewissenhaft hinzu: »Miss Hailey hat mir bei den Worten geholfen, die ich nicht kannte.«
»Das freut mich«, sagte Alex warmherzig. »Meine Mutter hat mir das Lesen beigebracht. Ich weiß noch, wie sie mir damals sagte, Lesen sei der goldene Weg zu allen Zielen, die man erreichen möchte.«
»Der goldene Weg«, wiederholte Daisy nachdenklich. »Darum dürfen Sklaven nicht lesen lernen. Weil ihre Herren nicht wollen, dass sie das Träumen lernen.«
Diese Feststellung ging Alex durch Mark und Bein. Mit zugeschnürter Kehle fragte sie: »Wie hast du die Sklaverei ertragen, Daisy? Du bist schön und intelligent und hast in einer Welt gelebt, die dir so viele Möglichkeiten verschlossen hat.«
»Schön zu sein ist für eine Sklavin nicht von Vorteil, Ma'am«, sagte die Zofe bitter. »Intelligenz auch nicht. Aus diesem Grund hat mich Miss Amanda von den Feldern weggeholt und mich in dem großen Haus als Mädchen ausbilden lassen. Da sie das Kauderwelsch der Sklaven nicht ausstehen konnte, hat sie mir beigebracht, wie die Weißen zu sprechen. Und wenn ich einen Fehler gemacht habe, hat sie mich mit der Peitsche geschlagen. Und was das Schönsein anbetrifft ...« Sie schluckte. »Miss Amandas Ehemann fand mich schön. Darum wurde ich verkauft. Ich musste die Plantage verlassen und wurde von meiner Familie getrennt.«
»Oh, Daisy!« Alexandra sah sie entsetzt an. Auf Grund ihrer eigenen Erfahrungen in der Sklaverei konnte sie nachempfinden, was das Mädchen sagte — und nicht sagte. »Die Sklaverei ist eine Beleidigung Gottes und verletzt das Gute im Menschen. Ich werde alles tun, um sie zu bekämpfen, solange ich lebe.«
»Das ist sehr gut von Ihnen, Ma'am.« Daisy war höflich, aber ihr Gesichtsausdruck zeigte, dass sie der Meinung war, Alexandra spende nur gelegentlich einen kleinen Betrag für die Anti-Sklaverei-Liga.
»Bitte erzähle keinem, was ich dir jetzt sagen werde. Es ist nicht ungefährlich, aber ich versuche Informationen zu bekommen, die der Königlichen Marine helfen könnten, den illegalen Sklavenhandel zwischen Afrika und Amerika zu unterbinden. Kennst du jemanden, der Auskunft darüber geben könnte? Oder der bereit ist, sich heimlich in Seemannskneipen umzuhören, um vielleicht irgendetwas von Bedeutung aufzuschnappen?«
»Mylady, ich habe doch nichts mit Sklavenhändlern zu tun!« Daisy rang nach Luft. »Die
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