Bride Trilogie 01 - Bluete der Zaertlichkeit
grauenhaft für ein wohl behütetes Kind!
Er war in angemessener Weise ergriffen gewesen, als er zum ersten Mal von Meriels Schicksal erfuhr, aber diese Ereignisse lagen weit zurück, hatten sich im fernen Indien abgespielt und waren einer Person widerfahren, die ihm noch un bekannt war. Jetzt, da er sie kannte, fühlte er das Erlebte mit bis ins Mark. »Armes Kleines«, flüsterte er. »So viel Angst und Schrecken und dazu noch als Gefangene in einem fremden Land. Haben Sie deswegen zu reden aufgehört? Weil es niemanden gab, der Ihre Worte verstand?«
Auch wenn sie während ihrer Gefangenschaft freundlich behandelt worden war, war sie doch isoliert gewesen, ohne die ihr vertrauten Annehmlichkeiten, allein gelassen mit den verheerenden Erinnerungen. Es war verständlich, dass sie sich in eine eigene Welt zurückgezogen hatte. Sie brauchte ein Refugium, um zu überleben. Dessen war er sich so sicher, wie er Renbourne hieß.
Und seitdem war sie immer allein gewesen, gefangen in einer dünnen Luftblase, die auf dem Meer des Schreckens trieb. Mit tief empfundener Intensität verspürte er plötzlich den Wunsch, die Wunden ihrer Vergangenheit zu heilen. Auch wenn ihr Schneckenhaus ihr Schutz gegeben hatte, wurde es jetzt zu einem Gefängnis. Er wollte, dass sie frei war, nicht für Kyle, sondern um ihrer selbst willen.
Wie konnte er sie erreichen?
Ein eitriger Abszess wurde aufgeschnitten, damit der verderbliche Inhalt ausfließen konnte. Er musste ihre Ängste berühren, sie aufbrechen, damit sie verfliegen konnten und sie nicht länger quälten. Vielleicht würde ihm dies gelingen, wenn er von seinen eigenen Schreckenserlebnissen sprach. Über seine Kriegserlebnisse zu sprechen würde ihn zwar als Dominic entlarven, aber es war sehr unwahrscheinlich, dass sie das jemals herausfinden würde. Abgesehen davon war es die Sache wert, dieses kleine Risiko einzugehen. Auch wenn sie ihn vielleicht nicht verstand, würde sie den Schmerz in seiner Stimme erkennen und wissen, dass sie nicht allein war.
»Ich war einmal Soldat, Meriel.« Sein Vater hatte beschlossen, dass Dominic als jüngerer Sohn entweder zur Kirche oder zur Armee ging. Da er sich selbst aber nicht sehr gut als Vikar vorstellen konnte, wählte er das Militär. Kyle war wütend gewesen und drängte seinen Bruder dazu, mit ihm in Cambridge zu studieren. Aber über diese Art von Schmerz wollte Dominic heute nicht sprechen. »In Indien haben Sie bestimmt sehr viele Soldaten gesehen. Ihr Onkel war Soldat.«
Bei diesen Worten wurde sie unruhig. »Schsch ...«, murmelte er. »Hier geschieht Ihnen nichts, Meriel, das schwöre ich.«
Als sie sich wieder beruhigt hatte, fuhr er fort. »Ich wählte die Kavallerie, weil ich ein Pferdenarr war. Damals war ich fast noch ein Junge, erst siebzehn. Ich dachte, der Krieg sei ein großes Abenteuer. Ich würde ein gefeierter Held werden, bewundert von den Damen. Mein Gott, was war ich für ein Dummkopf! Und wie begeistert war ich, als Napoleon aus dem Exil zurückkehrte, nicht ahnend, dass er Europa erneut in Brand setzen würde.«
Er hatte das Gefühl, dass Meriel ihm zuhörte. Verstand sie tatsächlich das Gesagte? Wenigstens reagierte sie, wenn auch nur auf seine Stimme.
»Und so landete ich als grasgrüner Kornett, das ist der unterste Rang eines Kavallerieoffiziers, auf den Schlachtfeldern von Waterloo, vielleicht der größten Schlacht in der Geschichte. Das war meine erste und letzte Kostprobe vom Krieg.« Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. Noch keinem hatte er von diesem Tag erzählt. Damals hätte er mit Kyle darüber sprechen können, aber sie waren einander bereits zu sehr entfremdet gewesen, als dass er ihm seine Schwäche eingestehen wollte.
»Dass ich während des Kampfes nervös werden würde, hatte ich erwartet, aber nicht diese ohnmächtige Angst, die meine Eingeweide in Wasser verwandelte.« Er schluckte schwer. »Ich hatte Angst vor allem. Vor dem Tod, natürlich, aber noch mehr vor dem qualvollen, langsamen Ende mit einer Kugel im Bauch und davor, mit zerfetzten Därmen elend im Schlamm zu verrecken. Angst davor, einen Kameraden vor meinen Augen sterben zu sehen, ohne ihm helfen zu können. Angst davor, verstümmelt zu werden und das Leben als hilfloser Krüppel verbringen zu müssen.«
In seinen schlimmsten Albträumen sah er sich blind und gelähmt in Dornleigh, aus Mitleid und Pflichtgefühl von der Familie unterhalten, zu hilflos, um sich selbst das Leben zu nehmen. Er unterdrückte
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