Bride Trilogie 01 - Bluete der Zaertlichkeit
Sessel neben dem Kerzenleuchter, sodass ihr Gesicht voll beleuchtet war.
Nicht gerade sanft ließ er sie auf das Polster fallen, dann zog er einen zweiten Stuhl heran und nahm ihr gegenüber Platz. Sie saßen so nahe beieinander, dass sich ihre Knie beinahe berührten. In ihren Augen blitzte es verärgert auf. Er glaubte auch einen gewisse Verstimmung zu entdecken, aber von Geistesgestörtheit war nichts zu sehen.
Etwas ruhiger geworden, fragte er: »Warum, Meriel? Wenn Sie singen und lesen können, dann sind Sie, wenn Sie wollen, auch der Sprache mächtig. Dessen bin ich sicher. Warum waren Sie all die Jahre stumm?«
Sie wandte rasch den Kopf ab, damit er ihr nicht länger in die Augen sehen konnte. Sie unterließ einen weiteren Fluchtversuch und wurde zu einer festen Kugel, an der er und alles um sie herum abprallte. Der seidene Morgenmantel, der um ein feines Batistnachthemd gegürtet war, ließ sie klein, zierlich und weiblich aussehen.
Wie ein Rohling kam er sich ihr gegenüber vor. Schnell löste er das um ihre Handgelenke geknotete Tuch und ließ es auf den Boden fallen. »Es ist wohl Ihre Art, unbequeme Fragen durch Weglaufen zu beantworten? Sie haben es meisterlich verstanden, jeden Menschen im Umkreis davon zu überzeugen, dass Sie geistig umnachtet sind. Und jetzt können Sie sich alles erlauben. Gewiss, Sie haben sich damit viel Freiraum geschaffen, aber dafür zahlen Sie einen verdammt hohen Preis.«
Immer noch keine Antwort, obwohl er nicht eine Sekunde daran zweifelte, dass sie jedes Wort verstanden hatte. Ein schneller Pulsschlag war an ihrer Kehle zu sehen. Hirn und Zunge mochten der Sprache mächtig sein, aber sie würde schweigen.
Enttäuscht atmete er tief ein und versuchte sich an ihre Stelle zu versetzen. Ein intelligentes, behütetes Kind wurde auf grausame Weise ihrer Familie und der ihr vertrauten Welt entrissen. Was blieb Meriel anderes übrig, als sich der harten Realität zu entziehen, um zu überleben? Ein Jahr lang, oder sogar noch länger, gab es niemanden, mit dem sie sprechen konnte, auch wenn sie dies gewollt hatte. Er konnte verstehen, weshalb Entsetzen und Leid sie traumatisiert hatten, sodass sie stumm wurde. Aber warum gewann sie ihre Sprache nicht wieder zurück, nachdem sie wieder zu den Menschen zurückgebracht worden war, die sie liebten?
Hatte sie einmal zu sprechen begonnen, wäre sie nie mehr in der Lage gewesen, sich in ihre eigene Welt zurückzuziehen. »Schweigen ist Ihr Schutzschild«, sagte er langsam. »Mit anderen zu sprechen würde den Schritt in die normale Welt unwiderruflich machen. Als Kind mussten Sie schmerzliche Fragen über sich ergehen lassen. Wie Ihre Eltern starben und was mit Ihnen in der Gefangenschaft geschah. Mit zunehmendem Alter hätte Normalsein Verpflichtung bedeutet. Verantwortung. Zum Beispiel hätte man Sie nach London verfrachtet, damit Sie sich dort einen Ehemann suchen.«
Sie erzitterte und biss sich auf die Lippen.
Ihre Reaktion gewährte einen neuen Einblick. »Der Hochzeitsmarkt allein würde bereits jeden entnerven, für Sie aber wäre es ein wahrer Schrecken, obendrein noch müssten Sie Ihr geliebtes Reich verlassen. So würde ich die Dinge sehen.« Er erinnerte sich an ihre spontane Ablehnung, die Warfieldschen Parkmauern zu passieren. »Für Sie stellt es eine furchtbare Überwindung dar, sich auch nur eine Meile außerhalb des hauseigenen Parks zu bewegen. Wenn Sie eine >normale< junge Frau wären, würde man anderes von Ihnen erwarten.«
Sie seufzte. Einen Augenblick lang senkte sie die Augenlider. Auch wenn er Recht hatte - und das traf zu -, war sie nicht bereit, es zuzugeben.
Mit ernster Miene beugte er sich vor. »Werden Sie mit mir reden, Meriel? Wenn Sie es möchten, dann schwöre ich, es keinem Menschen zu sagen. Aber ich würde Sie so gerne sprechen hören.« Ihre Stimme würde leicht und melodisch klingen, dachte er. Wie Silberglöckchen.
»Auch wenn Ihnen die Schweigsamkeit Schutz bietet, entgeht Ihnen so viel. Eine gute Unterhaltung gehört zu den großen Freuden des Lebens.« Mit einem schmerzenden Gefühl dachte er an die endlosen Diskussionen mit Kyle zurück in der Zeit, in der sie Freunde waren. Sie befruchteten einander mit Ideen und neuen Argumenten und gaben sich neue Denkanstöße. »Gedanken laut auszutauschen schafft Nähe zwischen zwei Menschen, ohne dass sie einander körperlich berühren. Ehrlich gesagt, Worte sind oft intimer als eine Berührung.«
Unentschlossenheit spiegelte sich auf ihrem
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