Bridget Jones 01 - Schokolade zum Fruehstueck
ob mit ihm alles in Ordnung sei, aber er hatte nicht zurückgerufen.
Während sie noch redete, wurde mir mit einemmal klar, dass ich selbst Tom am Mittwoch aufs Band gesprochen und ihn gefragt hatte, ob er am Wochenende da sei. Er hatte sich auch bei mir nicht gemeldet, was absolut untypisch für ihn ist. Hektisches Telefonieren war die Folge. Ich ließ es eine Ewigkeit klingeln: Kein Tom. Dann rief ich Jude an, die sagte, sie hätte auch nichts von ihm gehört. Schließlich versuchte ich es bei Toms eingebildetem Jerome: nichts. Jude sagte, sie werde Simon anrufen, der nur eine Straße von Tom entfernt wohnt, und ihn bitten, kurz hinüberzugehen. Zwanzig Minuten später rief sie wieder an und berichtete, dass Simon tausendmal bei Tom geklingelt und sogar gegen die Tür gehämmert hatte, aber es habe niemand aufgemacht. Dann rief Sharon wieder an. Sie hatte mit Rebecca gesprochen, die glaubte, Tom würde zum Mittagessen zu Michael gehen. Ich rief Michael an, der erzählte, Tom habe ihm mit verzerrter Stimme eine wirre Nachricht auf den Anrufbeantworter gesprochen, der nur zu entnehmen war, dass er nicht kommen könne. Warum, blieb unklar.
15 Uhr. Langsam packt mich wirklich die Panik, und zugleich genieße ich es, im Mittelpunkt des Dramas zu stehen. Bin praktisch Toms beste Freundin, also rufen alle bei mir an, und ich gebe mich zugleich gefasst und doch tief betroffen. Plötzlich fällt mir ein, dass er vielleicht einfach nur jemanden kennen gelernt hat und sich ein paar Tage lang in einem flitterwochenartigen Liebesnest vergnügt. Vielleicht war es gar nicht Tom, den Sharon gesehen hatte, oder das blaue Auge war nur das Produkt lebhafter, überschäumender, jugendlicher Sexspiele oder eine Art postmodernes, ironisch-retrospektives Rocky-Horror-Show-Make-up. Muss noch mehr Anrufe tätigen, um neue Theorie zu erhärten.
15.30 Uhr. Allgemeine Überzeugung macht neue Theorie zunichte, da man sich weitgehend darin einig ist, dass Tom unmöglich einen neuen Mann kennen gelernt, geschweige denn eine Affäre angefangen haben kann, ohne bei allen anzurufen und damit zu prahlen. Weiß nichts dagegen einzuwenden. Abstruse Gedanken ziehen mir durch den Kopf. Es lässt sich nicht leugnen, dass Tom in letzter Zeit etwas daneben war. Ich frage mich allmählich, ob ich wirklich eine gute Freundin bin. Wir in London sind alle so egoistisch und dauernd mit etwas anderem beschäftigt. Wäre es möglich, dass einer meiner Freunde so unglücklich ist, dass er... ooh, da habe ich also die neue Marie Ciaire hingelegt: oben auf den Kühlschrank!
Beim Durchblättern der Marie Ciaire fing ich an, mir Toms Beerdigung auszumalen und darüber nachzudenken, was ich anziehen würde. Aargh, plötzlich fiel mir der Abgeordnete wieder ein, der mit Schläuchen um den Hals und einer Schokoorange im Mund oder so in einem Müllsack ums Leben gekommen war. Frage mich, ob Tom auch auf so perverse Sexspiele stand. Er hätte uns ruhig davon erzählen können.
17 Uhr. Habe gerade noch einmal Jude angerufen.
»Glaubst du, wir sollten die Polizei verständigen, damit sie die Tür aufbricht?« fragte ich.
»Ich habe sie bereits angerufen«, antwortete Jude.
»Was haben sie denn gesagt?« Ich war etwas sauer, dass Jude die Polizei angerufen hatte, ohne es vorher mit mir abzusprechen. Ich bin Toms beste Freundin, nicht Jude.
»Sie schienen nicht besonders beeindruckt zu sein. Sie sagten, wenn wir ihn bis Montag nicht gefunden hätten, solle ich wieder anrufen. Das ist ja verständlich. Es wirkt eben doch ein bisschen hysterisch, wenn man meldet, dass ein neunundzwanzigjähriger Single am Samstag morgen nicht zu Hause ist und außerdem nicht zu einem Mittagessen aufgetaucht ist, das er ohnehin zuvor abgesagt hat.«
»Trotzdem stimmt irgend etwas nicht, das weiß ich einfach«, sagte ich mit geheimnisvoller, unheilschwangerer Stimme und erkannte zum erstenmal, wie überaus hochentwickelt doch mein Instinkt und meine Intuition sind.
»Ich weiß, was du meinst«, sagte Jude düster. »Ich spüre es auch. Es ist eindeutig etwas faul.«
19 Uhr. S. ungewöhnlich. Nachdem ich mit Jude gesprochen hatte, war ich außerstande, einkaufen zu gehen oder mir mit vergleichbar banalen Sachen die Zeit zu vertreiben. Dachte, dies könnte der ideale Zeitpunkt für das Feng Shui sein, also ging ich los und kaufte mir die Cosmopolitan. Vorsichtig und mit Hilfe der Zeichnung aus dem Heft kartographierte ich das Bagua meiner Wohnung. Blitzartig überfiel mich eine
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