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Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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jener Zeit fand ich mich als Offizier in der Sicherheitsbehörde wieder. Eigentlich bestand meine Aufgabe nur darin, meinen Onkel Murad zu begleiten. »Von mir kannst du mehr lernen als an der Polizeiakademie«, sagte er mir. »Die kannst du später noch besuchen, wenn die Sache mit den kurdischen und schiitischen Bestien erledigt ist. Drei oder sechs Monate Ausbildung. Das regeln wir später.«
    Von da an begleitete ich Murad in Bagdad überallhin. Alle Verdächtigen, die nicht geflohen waren, wurden festgenommen. Mich überraschte es wirklich außerordentlich, wie viele Menschen in verbotenen Parteien organisiert waren. In früheren Zeiten hatten die Leute, wenn es einen Anlass zum Feiern gab, auf den Straßen fröhlich gerufen: »Es lebe Saddam! Es lebe die Al-Baath-Partei! Gott, die Heimat und der Führer!« Mit einem Mal hatte sich alles geändert. Mir wurde klar, dass die ausländischen Mächte viele meiner Landsleute manipuliert haben mussten. Im Verhörraum erfuhr ich, wie viele irakische Gruppierungen finanzielle Unterstützung von den Amerikanern, den Iranern, den Syrern und den Saudis erhielten. Die Verdächtigen hatten im Verhör alles preisgegeben.
    Obwohl mir die Methoden meines Onkels Probleme bereiteten, begriff ich schnell, dass sie die einzig wirksamen waren. Aus den ersten Verdächtigen, die ich selbst verhörte, hatte ich nicht viel herausbekommen. Murad jedoch bekam in Windeseile brauchbare Informationen, weil er die Häftlinge folterte. »Du kannst nur besser werden«, sagte er mir. »Vergiss alles, was du an der Universität gelernt hast, scheiß auf Moral und Objektivität! Das wahre Leben ist ein Kampf, den man mit Theorien von der Universität nicht gewinnen kann. Denk einfach daran, dass auch diese Hurensöhne dich foltern und vergewaltigen würden, wenn man ihnen die Möglichkeit gäbe! Genau das haben sie bereits mit vielen unserer Männer während der ›Seite des Verrats im Buch der irakischen Geschichte‹ getan. Deinen Vater hätten sie beinahe umgebracht.«
    Onkel Murad war immer mein Vorbild. Zugegebenermaßen fiel es mir manchmal schwer, seinen Jähzorn und seine Wutausbrüche zu verstehen. Einmal stritten wir uns sogar heftig, weil er etwas tat, das ich vollkommen übertrieben und unangemessen fand. Er bestellte einen Gefangenen zum Verhör, der uns zuvor sehr geholfen, alles preisgegeben und viele Namen seiner Parteimitglieder verraten hatte. Wir ernannten ihn zum Kapo der Haftanstalt, ein harmloser Kerl, fast sechsundzwanzig Jahre alt und bereit, alles zu tun, was wir von ihm verlangten. Als der Kapo im Büro vor uns und den anderen Offizieren stand, befahl ihm Murad: »Ich will Witze hören! Ihr Schiiten, Affengesichter, kennt gute Witze.«
    Einer der Offiziere sagte: »Einen Witz über die Religion oder über die Schiiten und die Sunniten habe ich seit ewigen Zeiten nicht mehr gehört.«
    »Kennst du so einen Witz?«, fragte Murad den Kapo.
    Der Mann schwieg erst und meinte dann: »Ich kenne einen wahren Witz. Er ist aber hart.«
    »Schieß los! Die Härte ist unser Beruf.«
    »Okay, ich ging einmal mit meiner Mutter zur Imam-Al-Kadhum-Moschee in Bagdad. Damals war ich vierzehn Jahre alt. Nachdem meine Mutter gebetet hatte, rasteten wir im Schatten des Hofes. Ich hockte mich vor eine Säule und schaute den schönen Tauben zu, die überall herumliefen, im Hof und auf der Kuppel und dem Dach der Moschee. Man nennt sie die Tauben des Imam. Die Imamtauben sind wild und leben überall. Meine Mutter erzählte mir, sie seien Heilige, vielleicht sogar Engel. ›Sie lassen niemals ihre Exkremente im Hof der Moscheen zurück. Oder siehst du hier irgendwo ihren Mist?‹ Sie hatte recht, der Ort war fleckenlos rein. ›Wohin scheißen sie denn?‹, fragte ich. Meine Mutter lächelte und sagte: ›Am anderen Ufer der Al-Aama-Brücke. Da hinten! Du kannst es von hier aus sehen! Dort steht die große Moschee eines sunnitischen Imams namens Abu-Hanifa Al-Numan. Die Al-Kadhum-Tauben fressen hier, dann fliegen sie hinüber zu Abu-Hanifa. Dort scheißen sie auf seine Moschee und kehren wieder hierher zurück.‹«
    Darüber musste ich wirklich von ganzem Herzen lachen. Alle anwesenden Offiziere ebenfalls. Nur Murad schwieg und schaute dem schelmischen Kapo tief in die Augen. Nachdem wir uns vom Lachen erholt hatten, erhob sich Murad, zückte seinen Dolch und näherte sich dem jungen Mann, der ihn mit großen Augen erschrocken anblickte. Langsam legte er ihm den Dolch an den Hals, sagte »sehr

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