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Brief in die Auberginenrepublik

Brief in die Auberginenrepublik

Titel: Brief in die Auberginenrepublik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Abbas Khider
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acht Monaten gibt es in vielen Städten Unruhe. Man wirft unserer Regierung vor, ihn umgebracht zu haben. Wir befinden uns also seit der Lewinsky-Affäre in einem nahezu ununterbrochenen Kriegszustand.
    Wegen dieser verflixten Situation konnte ich mit meinen drei hübschen Frauen diesen Sommer nicht verreisen. Vielleicht wäre es versöhnlich, zum Jahresende in den Libanon zu fliegen und Neujahr in Beirut am Meer zu verbringen? Mal schauen! Doch jetzt muss ich unbedingt das Protokoll lesen, das mir mein Brief-Kontrolleur für Bagdad gesandt hat. Merkwürdiger Titel: »Christin, die Politik betreibt«.
    Ich öffne den großen Umschlag, hole den Bericht heraus und beginne zu lesen:
    Irakische Republik
    Innenministerium
    Sicherheitsbehörde
    Sicherheitsbehörde Bagdad – Rassafa
    Vertraulich und dringend
    Nr. 3454327
    Betreff: Information
    An die zuständige Abteilung
    Nach aufmerksamer Lektüre dieses Briefes, der als Anhang beiliegt, gelange ich zu der Erkenntnis, dass es sich bei der Briefempfängerin Samia Michael vermutlich um eine als verdächtig einzustufende Person handelt, die über Kenntnisse zu weiteren verdächtigen Personen verfügt. Ich empfehle die Einleitung polizeilicher Maßnahmen.
    Mit freundlichen Grüßen
    Unterschrift: K.
    Bagdad, 7. Oktober 1999
    Es sind nicht die Christen, die mir Sorgen machen, jedenfalls nicht die im Inland. Es gibt zurzeit Wichtigeres. Um diesen Brief kümmere ich mich später. Da liegt noch das Protokoll »Konferenz der irakischen Opposition in New York«. Der Vorsitzende des Außenministeriums gab es mir eigenhändig vor einer knappen Woche. Er meinte: »Wir sollten bald darüber reden, mit dem Präsidenten höchstpersönlich. Bitte dringend Informationsbeschaffung!« Heute kam zudem eine Liste mit den Namen einiger Exiliraker, die an dieser Konferenz teilnehmen sollen. Die Amerikaner haben alle irakischen Oppositionellen im Exil, von den Kommunisten bis zu kleinen schiitischen und kurdischen Parteien, kontaktiert und wollen sich Ende November dieses Jahres in einem Hotel in New York mit ihnen zusammensetzen, um zu besprechen, wie man einen Krieg gegen den Irak führen kann, um das Ende von Saddams Regierung zu bewerkstelligen.
    Der Termin rückt näher. Diese Verräter! Auch wenn sie uns, den Präsidenten und die Al-Baath-Partei hassen, dürfen sie nicht zu den abendländischen Feinden überlaufen und das ganze Land an sie verschachern. Eunuchen! Qualvollen hundertfachen Tod verdienen diese winselnden Hunde, stinkenden Söhne trächtiger Kanalratten. Glauben sie wirklich, dass die Amerikaner hier einmarschieren, die Regierung austauschen und das war’s, der ganze Irak verwandelt sich in ein Paradies? Ihr seid ausgemachte Idioten!
    Das Telefon klingelt.
    »Ja.«
    »Oberst Ahmed Kader?«
    »Am Apparat.«
    »Hier ist das Büro des Präsidenten.«
    »Schönen guten Tag.«
    »Guten Tag, Herr. Sie sind heute Abend eingeladen. Der Präsident erwartet Sie um 20 Uhr in seinem Haus!«
    »Ja.«
    »Um 18 Uhr erscheint der Fahrer bei Ihnen und holt Sie ab!«
    »Ich werde ihn erwarten.«
    »Auf Wiederhören, Herr.«
    »Auf Wiederhören.«
    Was mag nun wieder passiert sein? Gibt es ein neues internationales Problem? Oder geht es um die New Yorker Konferenz? Der Präsident hat bestimmt schon davon erfahren. Unser Treffen war eigentlich für nächste Woche vorgesehen. Wenn die Konferenz heute nicht angesprochen wird, muss ich das Thema meinerseits einbringen. Niemand will sich ernsthaft damit beschäftigen. Sie reden alle um den heißen Brei herum und meinen, hier im Land gäbe es genug zu tun. Dabei drängen diese Leute im Ausland auf einen Krieg! Wir täten gut daran, das endlich ernst zu nehmen! Ich bin wirklich sehr gespannt, was der Präsident sagt!
    Das erste Mal bin ich unserem Staatsoberhaupt, Saddam Hussein, im Haus meiner Familie in Ramady persönlich begegnet. Mein Vater, Kader Al-Rubaiy, bekam damals Besuch von dieser bedeutendsten Persönlichkeit des Irak. Als ich meinen Vater fragte, woher er ihn kenne, erwiderte er, sie seien seit ihrer Kindheit miteinander befreundet. Mein Vater hatte mir zuvor selten etwas aus seiner Vergangenheit erzählt. Immer, wenn ich mich danach erkundigte oder wissen wollte, wie sie es geschafft haben, an die Spitze der Macht zu gelangen, wiederholte er anstelle einer Antwort den ewig gleichen Satz: »Wir haben viel gekämpft. Seit wir in den Bäuchen unserer Mütter sind, kämpfen wir, das ganze Leben.«
    Ich besuchte damals die sechste Klasse der

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