Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt
reichte ihr die Karte.
Sie las und runzelte die Stirn.
»Dr. Siri, ich erzähle Ihnen das alles doch nicht, weil ich das Baby wegmachen lassen will. Ich möchte es behalten.«
»Und es allein großziehen?«
»Nicht direkt.«
»Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Phosy Ihnen die Ehre geben wird? Er ist nichts weiter als ein alter Lustmolch, der die Gelegenheit ausgenutzt hat.«
»Er freut sich bestimmt, wenn er hört, was Sie für eine hohe Meinung von ihm haben. Ich muss schon sagen, das ist ein starkes Stück. Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass er mich ausgenutzt hat?«
»Was ist bloß in Sie gefahren, Dtui?«
»Ich glaube, man nennt es Liebe.«
»Ach, Kind. Wie steht er eigentlich zu der ganzen Sache?«
»Er scheint einverstanden zu sein.«
» Scheint einverstanden?«
»Er redet nicht gern über Gefühle und persönliche Dinge. Aber ich habe ihm gesagt, dass ich das Baby behalten möchte, und er hat sich bereit erklärt, es zusammen mit mir großzuziehen.«
»Ich habe schon leidenschaftlichere Anträge gehört.«
»Er ist Polizist.«
»Genau. Und Ihnen ist hoffentlich klar, dass Polizisten bisweilen erschossen werden.«
»Aber doch nur im Kino. Phosy ist ein Klebreispolizist.«
Siri kippelte nach hinten und lehnte sich mit dem Stuhl gegen den Aktenschrank.
»Bis ich Ihnen begegnet bin, Schwester Dtui, gab es im ganzen Land niemanden, der mich an Sturheit hätte übertreffen können. Aber wenn Sie sich einmal etwas in den Kopf gesetzt haben, könnte kein Artillerieregiment der Welt Sie davon abbringen. Also will ich meine Zeit nicht weiter verschwenden.«
»Danke.«
»Ich weiß zwar, dass Sie eine grobe Fehlentscheidung treffen, die todsicher in einer Katastrophe enden wird, aber sollte es ein Junge werden …«
»Ihr Name ist schon vorgemerkt.«
»Und ich erwarte Phosy hier in meinem Büro.«
»Er steht draußen.«
Siri hatte zwar nicht damit gerechnet, dass Phosy mit demütig gesenktem Haupt bei ihm erscheinen würde, doch ein wenig mehr Bußfertigkeit hätte ihm durchaus gut zu Gesicht gestanden. Er kam herein und schüttelte lachend den Kopf.
»Wer hätte das gedacht?«, sagte er.
»Ich bestimmt nicht«, erwiderte Siri. »Wie konnten Sie nur?«
»Ich bitte Sie, Doktor. So übel bin ich nun auch wieder nicht. Sie hätte es weitaus schlechter treffen können.«
»Da bin ich mir nicht so sicher. Sie sind immerhin zwanzig Jahre älter als sie.«
»Ach, die paar Jährchen.«
»Lieben Sie Dtui?«
»Nein.«
Siri zog die Augenbrauen hoch. »Das kommt Ihnen aber reichlich flott über die Lippen. Weiß sie das?«
»Wir haben darüber gesprochen. Dtui und ich sind Freunde, Siri. Ich respektiere sie. Mir gefällt Ihre Art, meistens jedenfalls. Außerdem hat sie mir in Ubon das Leben gerettet. Das Schicksal hat uns zusammengeschweißt.«
»Dankbarkeit ist nicht unbedingt die beste Voraussetzung für eine Partnerschaft. Außerdem war Ihr Leben nie wirklich in Gefahr, Phosy. Schließlich hatten Sie einen Schutzengel. Und der hätte niemals zugelassen, dass einem von Ihnen etwas zustößt.« Soviel Siri wusste, hatte Civilai dafür Sorge getragen, dass Dtui oder Phosy im Lager nichts geschehen konnte.
»Ja? Und wer war dieser Schutzengel?«
»Das kann ich Ihnen leider nicht sagen.«
»Nach dem einen oder anderen Gläschen werde ich Ihnen Ihr Geheimnis schon entlocken.«
»Ich trinke nicht mehr.«
»Ach ja? Hat man kürzlich nicht auch den Pazifik trockengelegt und den Meeresgrund gekachelt?«
»Glauben Sie meinetwegen, was Sie wollen. Und lenken Sie nicht dauernd ab. Dtui ist wie eine Tochter für mich.«
»Herrgott! Die einzige Frau, die ich je geliebt habe, hat mich sitzen lassen. Damit ist die Liebe für mich gestorben. Ich bin einfach nicht dafür geboren.«
»Dtui liebt Sie.«
»Dr. Siri. Ich habe ihr ein Angebot gemacht. Sie hat es angenommen. Sie weiß, dass ich ihr ein guter Mann sein werde. Ich werde für unser Kind sorgen. Wir werden zusammen alt werden, viel streiten und viel lachen. Und ich kann zwar keine Gefühle heucheln, dafür habe ich Durchhaltevermögen.«
»Wenn Sie nicht zu Ihrem Wort stehen, verfolge ich Sie bis ins Grab, und glauben Sie mir, das ist keine leere Drohung.«
»Versprochen.«
Siri blickte Phosy tief in die Augen und versuchte seine Gedanken zu lesen. »Na schön«, sagte er schließlich. »Ich glaube Ihnen.« Sie gaben sich die Hand. »Gratuliere, Papa.«
»Danke, Opa.«
»Übertreiben Sie es nicht.«
»Tut mir leid. Ist unser kleiner
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