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Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt

Titel: Briefe an einen Blinden - Dr Siri ermittelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Cotterill
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fünftausend Kip gebe, wären Sie dann so freundlich?«
    »Das war eine Frage. Die Antwort kostet Sie noch einmal zehntausend.«
    »Also wirklich.«
    »Na gut. Ich gebe Ihnen Rabatt. Für sechstausend bekommen Sie eine Frage beantwortet und ein zehnminütiges Gespräch.«
    »Gott, Mann. Es ist ja billiger, einen Finanzbeamten zu bestechen.«
    »Sie können es auch sein lassen. Außerdem heißt es ›Fräulein‹.«
    »Na gut. Einverstanden. Ich würde mit Ihnen gern über …«
    »Im Voraus.«
    »Also, wenn Sie tatsächlich in die Zukunft sehen könnten, müssten Sie eigentlich wissen, dass ich nicht die Absicht habe, die Zeche zu prellen.« Tante Bpoo sah in die andere Richtung und drehte ihren Regenschirm. »Schon gut. Schon gut.«
    Er gab ihr zwei backsteindicke Bündel Fünfzig-Kip-Scheine. Seit der Abwertung trugen die Laoten ihr Kleingeld nicht mehr in Brieftaschen und Portemonnaies, sondern in Zementsäcken bei sich. Tante Bpoo zählte nach und schien zufrieden.
    Siri hielt dies für eine der törichtesten Investitionen, die er je getätigt hatte. Wahrscheinlich würde sie sich von seinem schwer verdienten Lohn auf dem Morgenmarkt einen neuen Ledermini kaufen. Aber eins musste man dem dicken Damenimitator lassen: Er war gut, um nicht zu sagen »begabt«. Siri traf so selten auf Leute, die wie er übersinnliche Fähigkeiten besaßen, dass er nach ihrer Gesellschaft förmlich lechzte. Außerdem gab es noch immer tausend Fragen, die der Beantwortung harrten. Vielleicht konnte Tante Bpoo ihm weiterhelfen. Der Mystizismus führt bisweilen zu seltsamen Allianzen, und nur wenige waren so seltsam wie das ungleiche Paar, das an diesem Abend auf Badezimmerhockern aus Plastik am Rand der Samsenthai Road saß. Tante Bpoo versenkte das Geld umständlich in den Untiefen einer geräumigen Handtasche. Als sie es sicher verstaut hatte, sagte sie: »Also gut, Genosse Verräter. Sie haben noch acht Minuten Zeit.«
    »Aber ich habe doch … Na schön. Ich würde mit Ihnen gern über … unsere Verbindungen zur Geisterwelt sprechen.«
    » Unsere Verbindungen?«
    »Ja, wissen Sie, ich empfange Botschaften von den Toten.«
    Tante Bpoos Augenbrauen krachten beinahe gegen das hölzerne Ladenschild über ihrem Kopf, bevor sie widerstrebend in ihr Gesicht zurückkehrten. »Soso.«
    »Ja, ich empfange Botschaften, die mir sagen, wie jemand gestorben ist.«
    Sie gähnte. »Sie sollten vielleicht etwas weniger Glutamat zu sich nehmen, Opa.«
    Siri lachte, um seinen Ärger zu überspielen. Warum nur waren so viele ausgesprochen unangenehme Zeitgenossen mit Begabungen gesegnet? Womöglich war das eine die Bedingung des anderen. Trotzdem war er fest entschlossen, diesen Transvestiten in ein Gespräch über das Übersinnliche zu verwickeln. Vielleicht kam er mit Aggression weiter.
    »Nun passen Sie mal gut auf, junger Mann beziehungsweise junge Dame, falls Ihnen das lieber ist. Ich bin Dr. Siri Paiboun, der erste und einzige Leichenbeschauer des Landes, aber das wissen Sie natürlich längst. In mir wohnt der Geist eines tausendjährigen Schamanen.« Tante Bpoo klaubte ihre Karten zusammen und packte sie in diverse Plastiktüten. »Hören Sie mir überhaupt zu? Durch ihn bin ich in der Lage, mit den Toten in Kontakt zu treten. Ich bin zu Ihnen gekommen, weil …«
    »Beweisen Sie es.«
    »Was?«
    »Beweisen Sie mir, dass Sie mit den Toten in Kontakt treten können.«
    »Wie?«
    »Sagen Sie mir, was mein Onkel Sithon anhatte, als er starb.«
    »Was er anhatte? Woher soll ich das wissen? Ich kann schließlich nicht hexen.«
    »Nein? Dann sollten Sie schleunigst anfangen zu üben. Die Nummer beherrschen ja selbst die halbseidenen Medien unten an der alten Fähranlegestelle. Sie plaudern in einer Tour mit den Toten und geben lustige Begebenheiten zum Besten, von denen nur das verblichene Großmütterchen Ting gewusst haben konnte.«
    »Tja, das kann ich leider nicht.«
    »Hätte mich auch gewundert.« Tante Bpoo stand auf und deutete mit einem Nicken auf den zweiten Hocker unter Siris Hinterteil. »Die Zeit ist um. Die Schlammsauna wartet.«
    Siri weigerte sich, den Hocker zu räumen. »Sie können sich doch nicht einfach mit meinem Geld aus dem Staub machen«, sagte Siri. »Das ist ein klarer Fall von Altersdiskriminierung. Dafür hetzte ich Ihnen den Seniorenverband auf den Hals.«
    Der Wahrsager beugte sich zu Siri hinunter. Er roch nach einer Mischung aus Lavendel und Feuerzeugbenzin. »Hören Sie, Opa. Ich will ganz offen sein. Es gibt jede

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