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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
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Lager einweihen. Sie legte auch ihr Augen-Gestell ab, und ich genoß die wie immer außerordentlichen Freuden der Liebe, die Frau Pao-leng zu bieten nicht müde wird. Sie entzückte mich diesmal mit der Variante »Sommerwind«, und ich befürchtete, daß sie das Kissen – das ja dem Inhaber des Hong-tel gehört und nicht mir – zerbeißen würde.
    Danach ließ ich durch einen Diener eine Flasche Mo-te Shang-dong kommen. Dame Pao-leng verbarg, während der Diener die Flasche ins Zimmer brachte, ihren Goldleib hinter dem Vorhang.
    Mein Zimmer ist sehr groß, viel größer als das, das ich in der Wohnung von Herrn Shi-shmi bewohnt habe. Das Zimmer hat mehrere große Fenster, die auf die Straße hinausgehen, sowie einige Nebenräume. Die Straße ist weit belebter als diejenige, in der Herrn Shi-shmis Wohnung liegt. Wenn ich den schweren Vorhang beiseite schiebe und an die Scheiben aus Glas trete, kann ich das Treiben der Großnasen beobachten. Viele A-tao-Wagen fahren hin und her, auch der vorgezeichnete Eisenweg der rollenden Häuser verläuft durch diese Straße, so daß sich auch diese Eisen-Häuser noch durch das Gewirr zwängen. Dazwischen laufen die Großnasen kreuz und quer durcheinander, und es ist absolut kein Sinn in ihrer Unrast zu erblicken, so oft ich auch dieses Chaos betrachte, und ich stehe oft bei beiseite geschobenem Vorhang am Fenster und beobachte. Manchmal, wenn es Abend wird, und Frau Pao-leng hat keine Zeit, und Herr Shi-shmi ist ja auch nicht mehr immer um mich, fühle ich Heimweh in dem großen Hong-tel. Der Mond wird noch oft wechseln, bis ich heimkehren kann. Vergiß nicht, zum Vizekanzler zu gehen.
    Es grüßt Dich Dein ferner Freund
    Kao-tai

Achtzehnter Brief
    (Sonntag, 13. Oktober)
    Lieber Dji-gu.
    Ich habe in einem meiner letzten Briefe geschrieben, daß nun die Zeit für mich gekommen ist, nach dem privaten Leben der Großnasen das öffentliche Leben, und namentlich das ihres Staates zu erforschen. Nicht zuletzt deshalb habe ich die Wohnung von Herrn Shi-shmi verlassen und bin hierher ins Hong-tel gezogen. Ich habe schon einige interessante Bekanntschaften gemacht, aber davon später. Heute will ich Dir von den öffentlichen Lustbarkeiten der Großnasen berichten.
    Längst schon habe ich erkannt, daß sowohl Herr Shi-shmi wie auch Frau Pao-leng nicht als Maßstab für die Beurteilung der gängigen, allgemeinen Großnasen betrachtet werden können. Frau Pao-leng ist eine Frau von gehobener Bildung, und Herrn Shi-shmi würden wir ohne weiteres – ungeachtet gewisser verquerer Ansichten – als Philosophen betrachten; außerdem ist er in der Kunst der Musik bewandert. Herr Shi-shmi und Frau Pao-leng ragen aus der Masse der Großnasen heraus.
    Nun wälzt sich aber also da die grobgesichtige Masse der grauen Leute durch die Straßen und blickt freudlos. Ich sagte Dir schon: es ist leicht, in ihren Gesichtern zu lesen. Fast auf allen Gesichtern ist Mißgunst zu finden. Ob das von der Rindsmilch kommt, die sie ständig trinken? Oder macht sie ihr gehetztes Leben, ihr ständiges Fort-Schreiten, unzufrieden? Und vielleicht wissen sie das gar nicht?
    Ich habe nicht angenommen, daß es öffentliche Lustbarkeiten für die Großnasen gibt; aber es gibt sie doch. Ich sage Dir: sie sind schrecklicher als der Mißmut. Es ist schon länger her, es war noch, bevor ich Dir den letzten Brief geschrieben habe, da hat mich Herr Shi-shmi zu einer solchen öffentlichen Lustbarkeit mitgenommen. Es sei dies, sagte er, einer der Höhepunkte des Jahres und dauere knapp einen halben Mond. »Das Fest des Herbstmondes« heißt es und spielt sich auf einer gigantischen Wiese etwas abseits vom Zentrum der Stadt ab. Es ist nahezu unbeschreiblich. Ich glaube, daß ich mich nie so geekelt habe wie dort. Dennoch bin ich einige Stunden geblieben. Schon von weitem leuchtete der Himmel über den Häusern, als ob eine Feuersbrunst ausgebrochen sei. Tosender Lärm hüllt einen ein, je näher man kommt. Obwohl ich mich sonst doch schon recht frei hier bewege, klammerte ich mich an den Arm von Herrn Shi-shmi. Aus Tausenden von Schellen, Trommeln und Rasseln quoll ein unversiegender Strom von kreischendem Lärm. Es soll Musik sein. Man kann sich nur schreiend unterhalten. Was würde Euer Meister We-to-feng zu diesem Lärm sagen? schrie ich. Er war ja taub, schrie Herr Shi-shmi zurück. Das kann ich jetzt verstehen! schrie ich.
    Zunächst erkannte ich gar nichts. Als sich meine Augen an das Blenden und Blitzen gewöhnten, das

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