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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
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erinnern, daß ich schon vor einiger Zeit die Verehrung der Großnasen für das Papier erwähnt habe, die so weit geht, daß man diese Welt, ohne ihr unrecht zu tun, als Papier-Kultur bezeichnen kann, was schon daraus erhellt, daß sie mit Papier zahlen. Jede Großnase muß ein bestimmtes, nur ihr gehöriges, sie persönlich betreffendes kleines Papier-Büchlein haben und, wenn es geht, mit sich führen, in dem alle möglichen Angaben über den Inhaber vermerkt sind (zum Beispiel: wann ihn seine Mutter geboren hat und wo, was doch bei uns keinen Menschen interessieren würde, auch, wie groß er ist usw.); auch ein kleines Bild ist eingeheftet. Diese Papier-Büchlein sind ungeheuer wichtig, so wichtig, daß sie quasi die Hälfte der Person bilden. Verstehe: die Großnasen bestehen aus zwei Hälften; die eine Hälfte ist der lebendige Mensch aus Fleisch und Blut, die andere Hälfte das Papier-Büchlein. Die eine Hälfte ist ohne die andere nichts. Ich sagte zu Frau Pao-leng, daß ich versuchen werde, nach dem Muster ihres Papier-Büchleins eins für mich anzufertigen, das dürfte doch nicht schwer sein. Nein, sagte sie. Solche Papier-Büchlein stelle nur ein bestimmtes Amt aus. Ein nachgemachtes würde sofort erkannt, und ich würde dann für einen Räuber oder Mörder, mindestens für einen Tagdieb angesehen werden. Gut, sagte ich, dann gehen wir eben auf das betreffende Amt, und ich kaufe so ein Papier-Büchlein. Aber auch das geht nicht, denn dazu braucht man wiederum andere »Papiere«, über die ich natürlich auch nicht verfüge, und so fort. Das sei alles äußerst kompliziert. Sie werde zwar versuchen, mir ein solches Papier-Büchlein zu verschaffen, das brauche aber seine Zeit. Sie müsse da – unter geeigneten Ausflüchten – gewisse Freunde einschalten (unter anderem den mit dem unaussprechlichen Namen, der an jenem ersten Abend mit Herrn Shi-shmi und mir bei ihr war) und so fort.
    Ich wurde im Hong-tel sogleich mit der Schwierigkeit, kein solches Papier-Büchlein zu besitzen, konfrontiert, denn der Ober-Beschließer des Hong-tels, ein ganz dicker Großnasen-Mann ohne Haare, der sich äußerst gravitätisch gebärdete, verlangte als erstes die Vorlage meines Papier-Büchleins. Frau Pao-leng redete mit sehr vielen und raschen Worten mit dem Ober-Beschließer. Ich verstand nicht alles, nur so viel, daß sie behauptete, ich hätte durch eine Verkettung unglücklicher Umstände mein Papier-Büchlein verloren. Zum Glück kannte Frau Pao-leng den Vorgesetzten des Ober-Beschließers, der dann geholt wurde. Auch mit dem Vorgesetzten redete Frau Pao-leng, verbürgte sich dafür, daß ich ein vollständiger Mensch auch ohne Papier-Büchlein sei, und die Tatsache, daß ich den Gegenwert von zwei Silberschiffchen (große braune Papier-Zettel) als Vorauszahlung für meine Aufenthaltskosten hinlegte, tat ihr übriges, und so begnügten sich der Vorgesetzte und der Ober-Beschließer damit, daß ich unter ein für mich unverständliches kleines Schriftstück in gedruckten Lettern in der Schrift der Großnasen (das habe ich länger schon gelernt) den Namen »Kao-tai« malte.
    Das Hong-tel »Von den vier Jahreszeiten« ist groß und glänzend und könnte ohne weiteres – im Stil der Bauwerke der Großnasen – für einen Palast eines Kanzlers gehalten werden. Es liegen dicke Teppiche aus, und alles ist hell erleuchtet. Eine Vielzahl von Sälen, Fluren und Treppen verwirrt den Besucher, und überall stehen Diener herum, die einem behilflich sind. Alle erwarten aber auch sofortiges Trinkgeld. Ich solle nicht zuviel geben, sagte mir Frau Pao-leng. Das leuchtet mir ein, denn es ist wie bei uns: der wirklich vornehme Mensch gibt ein kleines Trinkgeld. Nur Hochstapler werfen damit um sich.
    Es gibt in dem Hong-tel zwar viele Treppen und Stiegen, aber die Großnasen sind zu faul, sie zu benutzen. Es sind daher spezielle Mechanismen eingebaut, die einem das ersparen. Diese Mechanismen bestehen aus winzigen Zimmern (in denen merkwürdigerweise immer einige Spiegel an der Wand hängen), die wie jene Eisenhäuser auf der Straße fahren, aber nicht horizontal, sondern vertikal. In so ein Gefährt stiegen wir ein. Ein Diener schleppte die Ko-feng. Wir fuhren in das zweite Stockwerk. Dort schloß der Diener eine Tür auf, stellte die Ko-feng ab und streckte die Hand aus. Ich gab ihm ein Trinkgeld, und der Diener verschwand. Frau Pao-leng entkleidete sich unverzüglich und sagte, wir müßten das (im Übrigen: sehr prächtige und weiche)

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