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Brigade Dirlewanger

Brigade Dirlewanger

Titel: Brigade Dirlewanger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Will Berthold
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vor wie eine Seiltänzerin ohne Netz; sie fürchtete, beim nächsten Schwindelanfall nach unten zu stürzen. Sie lief durch die Stadt, in der sie aufgewachsen war, ohne ein bewusstes Wiedersehen zu erleben. Sie hörte Menschen in einer Sprache reden, die sie nicht zu verstehen glaubte. Sie spürte in sich eine Art Hysterie hochsteigen, die nichts war als eine Haftpsychose, die sie noch überwinden mußte.
    Karen lief durch Berlin und hatte das Gefühl, von allen Menschen beobachtet zu werden. Sie kam an blutjungen Soldaten vorbei, Urlaubern, die ihren Mädchen zulächelten, und fragte sich betroffen: Wieso können sie noch lachen? Sie sah Hakenkreuzfahnen, die sich lustig im Wind bauschten, und war in Versuchung, sie abzureißen.
    Karen wurde damit fertig. Sie konnte schon wieder über sich selbst lächeln. Die Erlebnisse im Lager hatten sie ›politisch‹ gemacht, aber sie war eine Frau geblieben, und sie wünschte den anderen, unpolitisch zu bleiben.
    Sie mußte sich bei der Polizei melden. Ein Zimmer wurde ihr zugeteilt, in einer Wohnung, deren Fenster durch Kistendeckel ersetzt worden waren. Die Reichshauptstadt hatte jetzt viele tote Augenhöhlen. Der Luftkrieg setzte zum Endspurt an.
    Karen war langsam zu sich gekommen. Sie betrachtete sich kühl und sachlich im Spiegel. Sie war zufrieden mit sich. Der Lippenstift, den sie zum ersten Mal wieder nach zwei Jahren mit Schwung handhaben konnte, war ein aufregendes Erlebnis.
    Karen hatte niemand, an den sie sich wenden konnte, und so klammerte sie sich wieder um so fester an Paul Vonwegh, von dem sie nichts wußte, überlegte, ob sie es wagen durfte, frühere Freunde von ihm aufzusuchen, unter der Hand Nachforschungen zu betreiben.
    Sie war noch zu keinem Ergebnis gekommen, als der Mann an sie herantrat, der Deutsch mit einem leichten skandinavischen Akzent sprach und ihr ein Formular präsentierte. »Bitte, unterschreiben Sie«, sagte er. Es war der Antrag einer Einreise nach Schweden, und Karen begriff jetzt, welche unsichtbare Hand sie aus dem Frauenlager befreit hatte.
    »Habe ich eine Chance?« fragte sie.
    »Vielleicht …«, entgegnete der Beamte. »Genau weiß man es bei denen nie, sie sind unberechenbar … Aber wir versuchen es wenigstens …«
    Karen nickte. »Wieso kümmern Sie sich um mich?« fragte sie.
    Der Mann lächelte fast melancholisch. »Erstens war Ihre Mutter Schwedin, und dann hat uns kurz nach Ihrer Verhaftung jemand auf Sie aufmerksam gemacht …«
    »Paul Vonwegh?« fragte sie.
    Der Mann nickte.
    »Wissen Sie, was aus ihm geworden ist?« fragte sie hastig.
    »Ja«, antwortete der Beamte. »Verhaftung … Überweisung in ein KZ … von da aus Versetzung zu einer SS-Strafeinheit …«
    »Wann haben Sie zuletzt von ihm gehört?« unterbrach ihn die junge Frau heftig, denn von all diesen Worten begriff sie zunächst nur: Er lebt … er lebt noch!
    »Vor kurzem«, versetzte der Schwede knapp. Er wich Karens Augen aus.
    »Ist etwas los?« fragte sie ängstlich.
    »Ja … Seltsam, er ist bei einer Strafbrigade, in der kaum einer eine Chance hat und ganz bestimmt keiner, der aus politischen Gründen zu ihr kam …«
    »Und?« drängte Karen verständnislos.
    »Er wurde zum regulären SS-Unterscharführer befördert … Etwas stimmt da nicht …«
    Karen begriff im ersten Moment nicht, daß der Beamte mißtrauisch war.
    »Hat er eine Feldpostnummer?« fragte sie.
    »Ja«, entgegnete der Schwede, »aber ich gebe sie Ihnen nicht.«
    »Bitte …«, sagte Karen schlicht. Ihr ganzes Gesicht flehte mit.
    »Sie können ihm jetzt nicht schreiben …«, erklärte der Mann. Er drehte unschlüssig seinen Hut um. »Sie würden nur sich und ihn gefährden …«
    Karen schüttelte den Kopf.
    »Schließen wir ein Abkommen«, bemerkte der Beamte abschließend. »Wenn Ihre Ausreise genehmigt wird, gebe ich Ihnen die Feldpostnummer … Sie können ihm von Schweden aus schreiben, aber nicht von hier.«
    »Ja …«, erwiderte das Mädchen traurig.
    Der Schwede klopfte Karen auf die Schulter. »Kopf hoch!« sagte er.
    Erst als er gegangen war, hatte Karen die Chance begriffen, die der Mann ihr geboten hatte. Denn alles klare Denken während des Gesprächs hatte ein einziger Gedanke ausgelöscht: Paul Vonwegh lebt, er lebt noch … Und in diesem beglückenden Bewußtsein vergaß sie, was hinter ihnen lag und was sie noch vor sich hatten …
    Der junge Leutnant mit dem alten Gesicht kriecht in seinen Panzer und schließt die Turmluk mit einer

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