Brigade Dirlewanger
Nachmittag wie mit einem Zauberschlag. Keiner sieht es, niemand hört es, alle spüren: Die Bombe ist geplatzt!
Die Explosion ist lautlos, ihr Ausmaß nicht übersehbar, der Zeitpunkt seltsam. Gerade, als auch der letzte Optimist aufgegeben hatte. Keiner kann etwas wissen. Aber das Unterbewusstsein funkt von Mann zu Mann: Der Alte ist gestolpert, erledigt.
Schluß mit Dirlewanger!
Es ist ein Rausch, ein Taumel, eine Revolte, sichtbar an hundert Zeichen: Dirlewangers Günstlinge ziehen den Nacken ein. Uscha Belle bietet Zigaretten an. Burggendarmen hasten ziellos hin und her. Vorsichtige reden, Ängstliche lachen.
Der Aufstand ist in Fluss, steigert sich zum Strom, der alles mitreißt. Aus den Baracken kommt derbes Gelächter. Keiner reagiert mehr auf Pfiffe. Kommandos gehen im Stimmengewirr unter. Einer verteilt Kartoffelschnaps.
Die Hölle feiert Satans Tod …
Fragen, nichts wie Fragen. Paul Vonwegh läßt sie nicht zu. In Baracke VIII gibt es keinen Tumult. Ein paar maulen. Die meisten begreifen. Wurde Dirlewanger tatsächlich verhaftet? Wie haben wir uns jetzt zu verhalten? Was ist eigentlich los?
Eine Viertelstunde vor dem Durcheinander, gegen sechzehn Uhr, war die Stimmung im Schloß schläfrig bis schadenfroh. Prinz, der höhere Polizei- und SS-Führer, nahm die letzte Gelegenheit war, sich zu blamieren. Sein gezielter Stoß nach Polen wurde zu einem Schlag ins Wasser. Der zuerst vernommene Spieß Müller-Würzbach wußte von nichts. Erschießungen? Sicher, sie seien öfter vorgekommen; aber entweder habe es sich um Partisanen gehandelt oder um Liquidationen, die von der Zentrale befohlen worden waren.
Der zweite B-Soldat konnte nachweisen, daß er zum fraglichen Zeitpunkt noch nicht bei der Brigade Dirlewangers war.
Petrat, der letzte, weiß von nichts und versteckt sich hinter seinem Stumpfsinn. Der Oberst brüllt ihn zusammen. Aber er kommt keinen Schritt weiter. Jeder kann hören, daß Prinz, wenn nicht am Ende des Verhörs, so doch am Ende seines Lateins ist.
Standartenführer Dirlewanger, der sich um nichts zu kümmern scheint, wird über alle Phasen der Untersuchung laufend unterrichtet. »Petrat?« fragt er seinen Spieß. »Nie gehört …«
»War damals dabei.«
»Und ist noch am Leben?« antwortet der Chef der Sonderbrigade gereizt.
»Er ist absolut wasserdicht«, besänftigt Müller-Würzbach.
»Trotzdem«, flucht Dirlewanger, »jetzt reicht's mir. Kommen Sie!«
Ein paar Männer seines Stabes gehen mit auf den anderen Flügel der Datscha. Der Standartenführer betritt das Vernehmungszimmer ohne anzuklopfen.
Prinz fährt unwillig herum.
»Wenn Sie denken«, beginnt der Leiter des Waldlagers ohne Begrüßung und Entschuldigung, »daß Sie dieses Affentheater noch lange weitermachen können, dann sind Sie …«
»Was fällt Ihnen ein?« erwidert Oberst Prinz ruhig.
»Ich lasse mich nicht vor meinen Leuten hier zum Hanswurst machen … Ich weiß nicht, wer hinter dieser Sache steckt«, fährt er fort, »aber es liegt bestimmt nicht im Sinn des Reichsführers, daß Sie hier die Disziplin meines Haufens durcheinanderbringen …«
»Ich habe meine Befehle«, entgegnet Prinz scharf.
»Befehle!« schnappt der Standartenführer. »Was wissen Sie … Da kommen Sie einfach her …«, er lacht gehässig. »Es ist nicht alles Dreck, was stinkt!«
Oberst Prinz sieht gleichgültig zum Fenster hinaus. Plötzlich belebt sich sein Gesicht. Offiziere seines Stabs sind vom Russenlager II zurückgekommen. Sie führen einen bulligen B-Soldaten in ihrer Mitte, einen Burschen, den sie mehr ziehen müssen, als er geht.
Dirlewanger folgt seinen Augen. Er starrt dem Abgeführten entgegen, als sei er ein Gespenst. Seine Augen quellen aus den Höhlen. Seine Adern treten an den Schläfen hervor. Einen Moment stützt er sich auf den Tisch und holt tief Luft.
Jetzt erkennt auch seine Suite, was der Besichtigende ausgrub: den B-Soldaten Haubach, alias Aumeier. Keiner sagt etwas, keiner rührt sich. Sie alle begreifen, was das heißt.
Draußen auf dem Gang klappern Schritte. Dann wird die Türe aufgerissen.
»Befehl ausgeführt!« meldet ein junger Polizeileutnant.
»Danke.«
Der Mann mit der Sondervollmacht verfolgt den Blickwechsel zwischen dem vorgeführten B-Soldaten und Dirlewanger, streift die Gesichter der Günstlinge und Burggendarmen, nickt und sagt: »Würden Sie mich jetzt endlich allein lassen?«
Keiner reagiert.
»Na, bitte …«, fährt Prinz fort, »wie Sie wünschen.« Er tritt an
Weitere Kostenlose Bücher