bright darkness - strahlende Dunkelheit (German Edition)
Verständnis. Mehr als ich verdient hatte. Ich fühlte mich schuldig. Ich bezweifelte, mir selbst so einfach zu verzeihen.
„Würdest du mir eine Frage beantworten?“, bat er.
„Welche?“
„Warum wolltest du damals wissen, ob wir fähig sind zu weinen?“
Warum wollte er ausgerechnet das wissen. Es war mir peinlich, ihm von meinem Traum zu erzählen. In dem ich selbst ein Vampyr war und meine Mutter, die ein gefährliches Raubtier war, mich umbringen wollte.
„Aus Neugier“, antwortete ich und hoffte er würde sich damit zufrieden geben.
„Aber wie bist du darauf gekommen?“
„Ich, naja …es ist mir peinlich.“
„Erzählst du es mir, wenn ich verspreche nicht zu lachen?“
Seine Mundwinkel hoben sich etwas an. Seine roten Lippen spitzten sich zu einem angedeuteten schmalen Grinsen.
„Du lachst doch jetzt schon!“, warf ich ihm vor.
„Niemals“, verteidigte er sich, straffte seine Schultern und ließ die Mundwinkel fallen, um einen ernsten Gesichtsausdruck aufzulegen.
„Ich hab‘ davon geträumt.“
„Dass du geweint hast?“
„Nein, ich konnte es nicht.“
„Aber, wenn du wach bist, kannst du weinen?“
„Ja. Aber in meinem Traum konnte ich es nicht, obwohl ich es so sehr wollte.“
„Es war nur ein Traum.“
„Naja … ich war … kein Mensch … in meinem Traum.“
„Du meinst, du warst ein Vampyr?“
Er sah mich mit diesem fragenden belustigten Blick an und seine Mundwinkel zuckten leicht.
„Genau. Ich war ein Vampyr in meinem Traum“, sagte ich ein wenig aufbrausender als beabsichtigt.
Seine Mundwinkel blieben unten.
„Und warum wolltest du weinen?“, fragte er mit ernsthafter Miene.
„Weil ich am Sterbebett meiner Mutter saß.“
„Das ist ein guter Grund für Tränen.“ Aufrichtiges Mitgefühl lag in seiner Stimme.
„Ja. Es fühlte sich an, als ob ich innerlich zerbrechen würde, doch es kam keine einzige Träne. Und dann verwandelte sie sich in so ein Tier und wollte mich zerfleischen …“
Von mir selbst geschockt, dass ich so viel erzählte, brach ich entsetzt ab und schaute prüfend in sein Gesicht, um seine Reaktion zu sehen. Wehe, wenn er lachte. Als ich darüber nachdachte, was ich mit ihm anstellen würde, überraschte mich sein Gesichtsausdruck. Er war immer noch ernsthaft.
„Das hört sich nach einem schlimmen Alptraum an.“
„Ja. Es war furchtbar. Stell dir vor, deine eigene Mutter will dich killen. Und vorher verwandelt sie sich noch in so eine riesige Löwin. Grrrr.“
Ich schüttelte die Erinnerung daran ab. Sammelte mich wieder und ließ mich wieder von seinen bezaubernden Augen fesseln.
„War das der ausschlaggebende Punkt, warum du dich von uns fernhalten wolltest?“
„Ja. Es hat mir … Angst gemacht.“ Ich versuchte, es nach einer plausiblen Erklärung klingen zu lassen, obwohl ein Beigeschmack der Lächerlichkeit daran hing.
„Das ist gut nachvollziehbar.“
„Findest du?“
Für mich war es plötzlich absurd, vor einem blöden Alptraum solche Angst zu haben. Sogar so weit zu gehen, mein Leben deswegen zu beenden. Gut, es war durchaus möglich ein Vampyr zu werden. Aber warum sollte Carol sich in ein Raubtier verwandeln? Das war etwas zu weit hergeholt.
„Natürlich. Träume können manchmal sehr real sein.“
„Aber zum Glück sind sie es nicht wirklich.“
Ich war froh, dass er mich nicht ausgelacht hatte, schämte mich aber trotzdem dafür, es ihm erzählt zu haben. Nicht wegen des Traums selbst schämte ich mich, sondern wegen der Tatsache, dass ich mich von ihm so sehr beeinflussen ließ. Ich glaubte eigentlich nicht an die Realität von Träumen. An ihren tieferen Sinn oder deren übernatürliche Visionskraft. Träume lassen uns, nicht in die Zukunft sehen. Sie helfen uns Probleme des Lebens zu verarbeiten. Mehr steckt nicht dahinter.
14
Ein heftiger Türknall und lautes ausgelassenes Gelächter unterbrachen unsere Unterhaltung.
„Sie sind wieder da“, stellte William fest.
„Kann ich ihn endlich sehen?“
Auf eins zwei drei war ich wieder vom Bett gesprungen und in Laufposition. Ungeduldig und kaum mehr zu bremsen zappelte ich vor William, der sich wieder vor die Tür stellte, hin und her.
„Lass mich erst mal nachsehen wie es ihm geht!“
Gerade als er das letzte Wort ausgesprochen hatte, war er auch schon zur Tür hinaus. Es dauerte wieder nur einen Augenblick, bis er wieder zurück kam.
„Es geht ihm sehr gut. Er lernt wirklich wahnsinnig schnell, ist sehr scharfsinnig und überaus
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