bright darkness - strahlende Dunkelheit (German Edition)
versunken.
Stillschweigend und mit hochrotem Kopf nahm ich wieder meinen Platz ein und konzentrierte mich stur auf meine Unterlagen vor mir. Meine Beurteilung von Mrs. Miller nahm ich nur im Hintergrund wahr. Meine Gedanken drehten sich vielmehr um die Person hinter mir. Er hielt mich sicher für komplett durchgeknallt und machte sich deshalb lustig über mich.
Am meisten wurmte mich Emily’s spöttische Bemerkung in Williams Gegenwart. Ich wollte nicht gedemütigt ihre Erniedrigungen ertragen müssen, sondern fähig sein, schlagfertig zu antworten. Das war auch eine Sache, die ich an mir ändern musste. Leider wusste ich nicht, wie ich das anstellen sollte. In solchen Situationen hatte ich keinen Einfluss auf meinen Körper. Ich überlegte, was ich ihr alles hätte an den Kopf werfen können, was ich beim nächsten Mal sagen würde, obwohl ich wusste, dass ich es nicht tun würde.
Es war Wochenende, und ich versprach Carol beim Tapezieren einiger Wohnzimmerwände zu helfen. Wir waren seit acht Uhr morgens wach, fuhren zum maßlos überfüllten Baumarkt und kauften die notwendigen Materialien ein.
Carol hatte helle pfirsichfarbene Raufasertapeten, den passenden Kleister und Pinsel ausgesucht. Meine Aufgabe war es, den Einkaufswagen zu schieben.
Da ich zwei linke Hände und Füße hatte, waren mir beim Tapezieren die Hilfstätigkeiten zugeteilt. Carol handwerkte für ihr Leben gern. Sie hatte eine besser bestückte Werkstatt als so mancher Mann. Anders als die meisten Frauen bummelte sie gerne durch den Baumarkt und freute sich riesig, wenn sie ein Werkzeug ergatterte, das sie irgendwann mal benutzen könnte.
Ich verbrachte das Wochenende also damit, ihre Befehle möglichst zu ihrer Zufriedenheit auszuführen. Sie maß und schnitt die Tapetenbahnen, ich rollte sie auf dem Tapezierertisch aus und kleisterte sie ein. Sie kletterte auf eine Leiter und ich reichte ihr die Tapeten, eine nach der anderen.
Moony kämpfte wild mit den Abrissen und kugelte sich auf dem Rücken durch die Papiermassen. Sie befand sich offenbar im Katzenparadies. Mutig hüpfte sie mit scharfen Krallen gegen alles was raschelte und in Bewegung war. Kam man ihr zu nahe, musste man mit schmerzhaften Verletzungen rechnen. Sie war ganz schön grob wenn sie spielte, biss und kratzte ohne Rücksicht auf Verluste. Man konnte ihr dennoch nicht böse sein. Spätestens wenn sie zu schnurren begann und sich anschmiegsam gegenlehnte, mit der niedlichen Nase herum stupste, um ausgiebig gestreichelt zu werden, waren die Schmerzen der Kratzer, die sie mir beibrachte, vergessen.
Als wir nach ungefähr sieben Stunden fertig waren, wusch ich den Kleister aus dem Pinsel, rieb den Tapeziertisch mühevoll ab und packte den Abfall in den bereitgestellten schwarzen Müllsack, während Carol uns eine Kleinigkeit zu essen machte. Sie schob zwei Tiefkühlpizzen in den Ofen, unsere Lieblingssorten Salami und Hawaii, deckte den Esstisch mit zwei Tellern, Gabeln, Messern und Gläsern und ruhte sich zufrieden im Sessel aus. Sie war zufrieden mit dem Ergebnis, und ich war froh, die Arbeit hinter mir zu haben. Während wir die Pizza aßen sprachen wir kaum miteinander. Nicht weil wir uns nichts zu sagen hatten, sondern weil wir erschöpft waren. Frisch geduscht und kultiviert ließen wir den Abend mit von uns gestreckten Füßen vor dem Fernseher ausklingen und schliefen im Wohnzimmer ein. Spät nachts weckte mich Carol auf und schickte uns in unsere kuscheligen Betten.
Am Sonntag schliefen wir so richtig aus. Erst kurz vor Mittag krabbelten wir müde aus den Federn. Ich nahm mir vor, den ganzen Tag in meiner ausgewaschenen Jogginghose vor dem Fernseher oder im Bett, kuschelig warm zugedeckt, mit einem guten Buch faulenzend zu verbringen. Doch meine Pläne wurden durchkreuzt. Eine Arbeitskollegin von Carol kam zu Besuch. Sie hatte beiläufig mal erwähnt, dass Samantha in die Zukunft sehen konnte und Carol interessierte sich neuerdings für dieses Esoterikzeug.
Wir saßen mit Samantha in der Küche, tranken Kaffee und aßen Kuchen. Sie hatte mittellange hellbraune wellige Haare, dunkelblaue Augen, war etwas kleiner als ich und redete viel. Sie war Mitte dreißig und erzählte von ihren langen Wochenenden, die sie als Single in Clubs und Tanzcafés verbrachte, von ihrem letzten Freund, der sie wegen einer anderen sitzen ließ, und ihrer Mutter, die ihr das Kartenlegen beigebracht hatte und sogar Tote sehen konnte!
Als ich das hörte, sah ich Carol misstrauisch an,
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