Bring mich heim
Dagegen hauchte er: »Ich lebe durch dich. Vergiss das nie.« Er sagte dies immer öfter. Nur wusste ich nie, was ich darauf antworten sollte. Ich wusste nicht, was es zu bedeuten hatte. Was seine Gefühle dahinter waren. Also nickte ich einfach.
Mit rasendem Herz stand ich vor dieser braunen, alten Holzeingangstür, durch welche ich früher ohne Probleme, ohne Angst ein und ausging. Und hier war ich nun. Ein nervöses Bündel. Schweißnasse Hände. Kurz vor einer Panikattacke, weil ich keine Ahnung hatte, was auf mich zukam, wenn ich diese Tür öffnete.
»Atme, Mia. Lebe, Mia«, ermutigte mich Samuel, dabei gab er mir noch einen Kuss auf den Kopf. Ich griff nach Sams Hand und krallte mich hinein. »Ich bin direkt neben dir.« Mein freier Arm bebte. Nur mit viel Mühe fädelte ich den Schlüssel in das Schloss. Die Tür ging auf. Hinter uns drückte ich sie wieder zu. Totenstille herrschte in dem Haus. Es kam mir so vor, als ob das einzig Hörbare mein lautes Herz und mein hastiger Atem waren. Doch dann hörte ich mehr. Jemand räumte den Geschirrspüler aus. Leise Musik kam aus dem ersten Stock.
Ich zog Samuel an der Hand. In der Küchentür blieb ich stehen. Mama hatte mich noch nicht bemerkt.
»Mama«, brach ich die Stille. Der Teller, welcher sich gerade in ihrer Hand befand, flog zu Boden, zerbrach in Hunderte Einzelteile. Sie drehte sich hastig um und griff an die Arbeitsfläche. Sie benötigte Halt.
»Oh mein Gott, Mia.« Mit schnellen Schritten war sie bei mir. Meine Mutter umarmte mich stürmisch. Ich hielt weiterhin Samuel fest. »Dir geht es gut!«, schluchzte sie, nahm mein Gesicht in ihre Hände. »Geht es dir gut?«
Ich hatte sie vermisst. Ich hatte meine Sonne so sehr vermisst. Meine Augen wurden wässrig. Ein Kloß bildete sich in meinem Hals, ich konnte nichts mehr sagen, sondern deutete schlicht ein Ja.
»Gut«, sagte sie und nahm mich ein weiteres Mal in den Arm. »Ich hatte mir solche Sorgen um dich gemacht«, flüsterte sie in mein Ohr. Ihre Tränen waren auf meiner Schulter spürbar. Meine Bluse wurde nass.
»Ich bin hier, Mama. Es geht mir gut«, beruhigte ich sie. Mit der freien Hand umarmte ich sie zurück. Den Kopf lehnte ich gegen ihren. Ich wollte nicht von ihr loslassen. Sie sollte wissen, dass ich jetzt wieder da war. Dass ich sie liebte. Dass es mir leidtat. Darum hielt ich sie so fest ich konnte. So lange ich konnte.
Nach etlichen Minuten zuckte sie hoch. Verwundert sah sie mich an. »Du ... du lässt dich so lange umarmen und du umarmst mich zurück.« Ein Lächeln war meine Antwort. »Aber du wolltest es nie. Wie? «
Ich ließ von ihr los. »Mama, das ist Samuel. Er ist der Grund.« Da nahm sie erst wahr, dass ich nicht alleine war. Sie zupfte noch an ihrem Shirt, bevor sie ihm die Hand reichte.
»Irene. Freu mich, Sie kennenzulernen.«
»Ebenfalls. Aber sagen Sie bitte einfach Du.«
Sie lächelte ihn an. »Gut, dann gilt auch bei mir das Du.«
Mama holte Papa aus dem Keller und Anna aus ihrem Zimmer. Alle fielen über mich her. Sie wollten nicht mehr von mir loslassen. Mit Kaffee setzten wir uns in das Wohnzimmer.
»Willst du mir nicht deine Begleitung vorstellen?« Anna grinste Samuel für meinen Geschmack zu sehr an. Dass er diese Kraft auf Frauen hatte, bemerkte ich auch selbst. Zumindest meine Schwester musste ihn nicht mit ihrem Blick ausziehen. Sie war meine Schwester und sah, dass er mit mir hier war.
Ich stieß sie an ihr Bein. »Anni«, fauchte ich.
Sie lehnte sich näher zu mir und flüsterte: »Du hast ihn dir angesehen, oder? Du sitzt neben Hottie. Oh mein Gott, hast du diese Augen gesehen? Also, wenn du nicht hinter ihm her bist. Ich nehm ihn gerne.«
Samuel dürfte es auch gehört haben. Er verkniff sich das Lachen. Aber schließlich stellte ich ihn nur meiner Mutter vor. Das nur als Samuel. Ich war wohl allen eine ordentliche Antwort schuldig. Über alles, was geschehen war. Ich nahm wieder Sams Hand. »Das ist Samuel. Er ist ...« Ich sah zu ihm.
Er lächelte. Seine Augen strahlten. »Ich bin ihr Freund.« Er drückte meine Hand. Sein Strahlen wurde größer. Lächelnd sah ich ihn an. Ja, er war mein Freund.
Anna wirkte etwas enttäuscht, lächelte mich aber dann an. »Wir trafen uns gleich im ersten Zug. Wie es der Zufall wollte, war er auch im nächsten. Er hat mich mehr als nur einmal gerettet aus meinen Phasen. Er war da. Schwieg, wenn ich Ruhe benötigte. Heiterte mich auf, wenn ich es brauchte. Ließ mich fühlen. Ermutigte mich, dass es
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