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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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seine Schulter schloss; jäh ruckte er mit fuchtelnden Armen auf der Bank hoch. Die Finger ließen ihn los, und jemand lachte. Ambros blinzelte und erblickte Hengest, der über ihm aufragte, und hinter dem Sachsen Vitalinus.
    »Wach auf, Junge. Dein Herr braucht Musik, um sein Gemüt zu besänftigen!« Abermals lachte der Sachse und wandte sich ab.
    Ambros rieb sich die Augen. Der einzige Kampf, den er sah, war jener der Griechen gegen die Zentauren, der auf die Wand des Landhauses gemalt war, in dem sie für die Nacht eingekehrt waren, und die wütende Stimme, die er vernahm, gehörte dem Vor-Tigernus.
    Ein Sklave eilte mit einem Krug gewürzten Weins herbei. Vitalinus ergriff ihn, bevor der Sklave ihn abstellen konnte, füllte seinen Becher auf, trank ausgiebig, hustete und trank abermals.
    »Kaiser! Er wagt es, den Purpur aufgrund eines Kampfes an sich zu reißen, den er nicht gewonnen hat!« Mit finsterer Miene starrte Vitalinus in den Raum.
    Als Ambros’ Sinne allmählich erwachten, erinnerte er sich an den Boten, der kurz vor dem Abendmahl angeritten gekommen war. Das hatte die Großen dazu veranlasst, sich zu beraten. Wie es sich anhörte, war dabei rein gar nichts gelöst worden.
    »Ihr habt auch nicht gewonnen«, erwiderte Hengest trocken. »Und das werdet Ihr auch nicht, es sei denn, Ihr bekommt mehr Männer.« Trotz des kehligen Akzents sprach er fließend Latein und vermochte ebenso, sich in britischer Sprache verständlich zu machen. Er stand mit dem Rücken zum Feuer. Seine Züge lagen im Dunkeln verborgen, doch sein Schatten erstreckte sich düster quer durch die Kammer.
    Der Vor-Tigernus schenkte sich noch mehr Wein ein und begann auf und ab zu laufen. Als er an Ambros vorüberging, hielt er inne.
    »Du hast ihn gehört, Kind. Nimm die Harfe und sieh zu, ob Musik das Herzeleid deines Königs zu lindern vermag!«
    Die Augen wachsam auf seinen Herrn gerichtet, griff Ambros nach der Harfe, einem schlichten Eichenholzbogen, der mit fünf Pferdehaarsaiten zu einem Musikinstrument gezimmert worden war.
    »Na mach schon – oder hältst du dich für David und mich für Saul? Ich schleudere schon keine Lanze auf dich!« Damit setzte er sich wieder in Bewegung, wobei er Wein auf den Boden verschüttete.
    Nein, dachte Ambros, ich bin nicht David, denn ich werde nie ein König sein…
    Ambros klemmte die Harfe an die Schulter. Er hatte gelernt, einfache Akkorde zu spielen und die Barden zu begleiten, wenn sie die alten Lieder sangen, doch er glaubte kaum, dass Gesang im Augenblick gefragt war. Sanft begann er Terzen und Quinten zu zupfen.
    Vermutlich hatten die Laute tatsächlich eine besänftigende Wirkung, denn er sah, wie Vitalinus’ hochrote Farbe zurückwich, und alsbald setzte der König sich. Er schaute seinen magister militum an und seufzte.
    »Du hast Recht. Ich brauche mehr Männer. Kannst du sie aus der Luft herbeizaubern?«
    »Aus der Luft?« Hengests tiefes Gelächter rasselte in seiner Brust. »Das kann ich nicht. Aber ich kann sie aus dem Wasser herbeischaffen – über das Meer…«
    Eine lange Stille trat ein. Ambros umklammerte die Harfe und wagte kaum, die Saiten zu berühren.
    »Ich weiß. In deinen Landen gibt es zahlreiche Krieger. Aber sie werden nicht aus Liebe zu mir kämpfen«, meinte Vitalinus schließlich. »Besäße ich das Gold, sie zu bezahlen – dich zu bezahlen –, wäre ich jetzt nicht hier.«
    Hengest hockte sich vor den Kamin und schloss die Hände um die Knie. Selbst in dieser Stellung befand sein Kopf sich noch auf Schulterhöhe des Königs, aber er überragte ihn nicht mehr.
    »Wenn ich das Gold, das Ihr mir bezahlt, meinen Männern gebe, schicken sie es nach Hause, damit ihre Familien das Essen kaufen können, das ihr vom Meer überschwemmtes Land nicht mehr hervorbringt. Auch wenn Ihr kein Gold habt, Ihr besitzt etwas, das meinem Volk noch teurer ist – schwarze Erde, aus der goldenes Korn sprießt.«
    Der Vor-Tigernus schreckte hoch und starrte auf den anderen Mann hinab, gab jedoch keinen Laut von sich. Nach einer Weile setzte wieder das leise Grollen von Hengests Stimme ein.
    »Söldner müssen bezahlt werden, zwischen Verbündeten hingegen ist Bezahlung gar keine Frage. Gebt uns Land, Herrscher Britanniens, so wie die Kaiser Roms den Burgunden Germania Prima gaben und Aquitania den Wisigoten. So werden wir als Gäste eines Gastgebers leben und unser Dasein aus den Früchten des Landes bestreiten.«
    »Als foederati«, sagte Vitalinus.
    »Als Verbündete«,

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