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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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Brot vom Teller des Vor-Tigernus, stopfte sie vorne in den Kittel und steckte den Kopf aus der Tür.
    Er hörte Schnarchen und rasselndes Atmen, doch nichts regte sich.
    Die Götter meines Volkes müssen mich beschützen, dachte Am bros, als er durch das Tor des Landhauses huschte, denn die einzige Wache, der er begegnet war, hatte geschlafen. Ein abnehmender Mond erhellte ihm den Weg, und bald befand er sich auf der Straße nach Londinium. Niemand würde erwarten, dass er in diese Richtung floh, aber von dort konnte er nach Norden umkehren und sich dann gen Westen nach Demetia durchschlagen.
    Obwohl die Straße nicht mehr so gut instand gehalten wurde wie unter den Römern, kam Ambros rasch voran. Im Morgengrauen hielt er inne und blickte staunend gen Süden, als das erste Tageslicht zunächst die sanften Kurven des Hügellandes vor dem östlichen Himmel enthüllte und dann, als die Sonne höherstieg, die weichen, weißen Kurven, welche im Kalk der Hügel die Gestalt eines Pferdes darstellten.
    Ambros stockte der Atem. Mit einem Schlag erinnerte er sich an die deutlich geformten Schädelknochen der Weißen Stute, welche die Prozession zu Samhain anführte. Die in weiße Pferdehaut gehüllte Stute verkörperte gleichzeitig das Antlitz des Todes und das Versprechen bevorstehenden Lebens, denn in ihrem Gefolge wandelten die Geister der Ahnen, um in den Leibern der Frauen des Stammes wieder in Hüllen aus Fleisch und Blut zu schlüpfen. Das Blut des Volkes seiner Mutter pochte in seinen Schläfen, während er auf die gewaltige Gestalt starrte, die in den Gebeinen des Landes verankert war.
    »Weiße Stute, beschütze mich«, flüsterte er, dann schaute er sich um. Derzeit war weit und breit nichts und niemand zu sehen, doch schon bald würde es vor Leuten wimmeln, die sich vielleicht eines seltsamen Jungen besinnen würden, der die Straße entlangeilte. Wenn er hingegen von hier an querfeldein lief, sollte er auf den Kammweg stoßen, jenen uralten Pfad, der entlang der östlichen und nördlichen Kuppen der Hügel verlief. Von dort konnte er etwaige Verfolger erspähen, lange bevor sie ihn sahen.
    Das Tal war größer, als es im trügerischen Licht des Morgengrauens gewirkt hatte. Den ganzen Tag mühte der Knabe sich, es zu durchqueren, wobei er Weiden umging, deren sattes Grün Sumpfland verschleierte, das noch durchtränkt war von den Frühlingsregen. In manchen Hainen oder Wiesen stieß er auf Fußpfade, die zu Gehöften führten, und gelegentlich musste er sich vor auf den Feldern arbeitenden Männern verstecken. Deshalb senkte die Dämmerung bereits einen Schattenschleier über das Land, als er endlich den langen Aufstieg zum Kammweg begann.
    Ambros entdeckte den uralten Pfad mehr durch Berührung denn durch Sicht und stolperte sogar noch, als er die Kuppe und das ebenmäßigere Gelände erreichte. Er zuckte zusammen, als er ein plötzliches Huschen vernahm; dann erkannte er, dass es sich nur um eine jagende Eule handelte, die auf geräuschlosen Schwingen davonzog. Bei Einbruch der Dunkelheit verwandelten sich die Hügel in eine vollkommen andere Landschaft. Ambros spürte überdeutlich die gewaltigen Kalkerhebungen, als staken die Gebeine der Erde aus dem Boden. Und je länger er dem Kammweg folgte, desto bewusster wurde er sich der unzähligen Füße, die den Pfad vor ihm beschritten hatten.
    Dies war ein uraltes Land, in dem jeder Stein ein Elfengeschoss sein mochte, verloren gegangen, bevor die Urväter der britischen Stämme über das Meer kamen. So mancher behauptete, die kleinen, dunklen Jäger oder deren Geister spukten hier immer noch umher. Ambros schaute über die Schulter zurück und fragte sich, ob sie bei Nacht oder bei Tag jagten. Die offene Weite, die ihn am Morgen so angezogen hatte, schien nun eine entsetzliche Verwundbarkeit zu beinhalten. Hoch droben auf den Schultern des Hügellandes kauerte er sich unter dem unendlichen Himmelszelt nieder und suchte gleich einem kleinen, wuselnden Tier fernab seines Baus einen Unterschlupf.
    Und so verließ er den Pfad, als er ein Grüppchen Buchen erblickte, die sich dunkel gegen den südlichen Himmel abzeichneten.
    Alsbald ließ ihn ein seltsamer Geruch innehalten. Vorsichtig schnupperte Ambros, und seine Nasenflügel blähten sich ob des beißenden Gestanks eines Holzkohlefeuers. Er trat einen Schritt vor, weil er sich einbildete, hinter den Bäumen das Schimmern von Flammen zu erspähen, dann ertönte unverkennbar das Klirren von Metall auf Metall; sogleich

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