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Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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Ambros an Größe gewann, gewann Hengest neue Männer. Kiel um Kiel ruderte an Tanatus vorbei, um dort anzulegen, wo einst Caesar gelandet war. Andere liefen die Küste unterhalb der weißen Klippen von Dubris an, und die Besatzungen marschierten über Land nach Durovernum. Fürst Gorangonus lebte als Gefangener in seiner eigenen Stadt, doch der Oberkönig schenkte seinen Klagen kein Gehör.
    In jenem Jahr, als Ambros sechzehn wurde, entlud sich der ferne Sturm, dessen Blitze so lange den Horizont umspielt hatten, mit all seiner entsetzlichen Macht über Britannien.
    Cantium war mehr als ausreichend für Hengests ursprüngliche Kriegerschar gewesen, doch die Horde, die mittlerweile gefolgt war, sprengte den Rahmen. Hengest kam nicht mehr nach Londinium; es war Godwulf, der die Forderung nach mehr Gold vorbrachte. Doch der Vor-Tigernus hatte den Sachsen bereits alles Gold gegeben, das er besaß.
    Und so wandten die sächsischen Wölfe sich letztlich gegen die armen Schafe, die sie gehütet hatten, und der gesamte Süden und Osten Britanniens versank in Blut und Feuer. Venta Icenorum wurde ausgelöscht, Camulodunum überrannt; die Tore Lindums wurden niedergebrannt. Und wenn sogar ummauerte Städte fielen, wie verwundbar waren dann erst abgeschiedene Landhäuser und Gehöfte. Wo die Sachsen nicht zuschlugen, schwang die Furcht vor ihnen ein scharfes Schwert. Überall flüchteten die Menschen, und auch als die ersten Wogen des Aufstands sich glätteten, kehrten sie nicht zurück.
    In Londinium aber klammerte der Vor-Tigernus sich verbissen an sein Reich. Die Barbaren waren nicht unbezwingbar. Sogar der schreckliche Attila war von Aetius auf den Katalaunischen Feldern besiegt worden. Vitalinus hatte Söhne, Vortimer und Categimus, die inzwischen zu Männern herangewachsen waren. Gemeinsam brachen sie auf, um Britannien zurückzuerobern.

V
    Die Nacht der Langen Messer
    A.D. 458
     
    »Ambros, Sohn der Madrun, Ihr seid in Luguvalium willkommen.« Amlodius führte den Gast zum Kamin. »Wir haben Euch viel zu lange nicht hier im Norden gesehen.«
    Igraine widerstand der Versuchung, herumzuwirbeln und ihn anzusehen. Mit zwanzig Jahren war sie als verheiratete Frau mit Kind gewiss zu reif, um aufzuspringen, weil der Seher des Vor-Tigernus gekommen war. Dann gerieten ihr Vater und sein Gast in ihr Sichtfeld; ihre Augen weiteten sich. Wenngleich Ambros mit ihr verwandt war, so hatte sie doch noch nie jemanden wie ihn gesehen.
    Seine Größe war weniger überraschend – ihr eigener Vater war groß. Doch sie war nie zuvor einem so behaarten Mann begegnet. Das Haar auf seinem Kopf war geschoren worden, doch seine Brauen wucherten wild, und der kurz gestutzte Bart verschmolz mit dem dunklen Haar, das dicht auf dem Hals und unterhalb der Ärmel an den Armen wuchs. Zweifellos bedeckte dieses Fell auch die in einer weiten Hose aus feiner Wolle steckenden Beine. Dann wanderte sein rascher, abschätzender Blick über die Versammelten und traf auf den ihren. Einen Lidschlag lang starrten schwarze Augen in blaue.
    Er ist stolz, dachte sie, während sie all ihre Selbstachtung zusammennahm, um jenem prüfenden Blick standzuhalten. Dazu hat er auch Grund. Jeder hatte davon gehört, wie Ambros schon als Kind die Weisen beschämt hatte. Im Verlauf der Sachsenkriege war er zum meistgeschätzten Berater des Vor-Tigernus geworden. Er trug die Kleider eines Fürsten, um seinen Hals hing an einer Goldkette ein Schmuckstück in Form eines rennenden Hirschen. Dann wanderte sein Blick weiter, und Igraine stieß in einem langen Seufzer den angehaltenen Atem aus.
    »Setzt Euch«, forderte Argante ihn auf und bedeutete einem Bediensteten, Essen herbeizubringen. »Ihr habt einen langen Ritt hinter Euch.«
    »Das habe ich, aber mein Herr wollte Euch ehren, indem er seine Botschaft durch einen Anverwandten überbringen lässt.«
    Ambros’ Stimme ertönte tief, mit eigenartig rauchigem Klang. Es hieß, sein Vater sei kein Mensch gewesen, und Igraine war geneigt, dies zu glauben, denn der rote Schimmer im Haar war das Einzige, was er mit der Verwandtschaft seiner Mutter gemein hatte.
    »Es wird verkündet, wir hätten die Sachsen besiegt. Horsa wurde bei Rithergabail getötet, aber Hengest hält Cantium und sein Sohn, Octha, die alten Länder der Iceni. Ist das ein Sieg?«, fragte Amlodius, als sie sich setzten.
    »Mehr werden wir in dieser Generation nicht erreichen.« Ambros schob den unteren Teil seines Mantels, eines in vielen Farben schillernden, von

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