Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
Willen den Weg an diesen heiligen Ort.« Ihre Worte erklangen voller Stolz, doch er sah die ersten Anzeichen des Entsetzens in ihren Augen. Seine Mutter hatte einst gemeint, Argantes Ehe sei ein politisches Abkommen gewesen. Nichtsdestotrotz hatte die Priesterin Gefühle für ihren römischen Herrn entwickelt.
    »Ich habe Euren Gemahl nach Hause gebracht.«
    Abermals schob sich ihm ein Kloß in die Kehle. Seine Erinnerungen an die Reise waren wirr. In Sorbiodunum hatte er einen Mann gefunden, der ihm einen Sarg baute, und einen Karren, um ihn zu befördern. Er war die Große Straße nach Norden hinaufgefahren und hatte nur innegehalten, um zu schlafen und die Pferde zu füttern, ohne zu wissen oder sich darum zu kümmern, welche Geschichten ihm folgen mochten. Nun schien ihm, das Ziel, Amlodius zu seinem Volk zurückzubringen, war das Einzige gewesen, das ihm den Verstand bewahrt hatte.
    Doch Argante war Priesterin und somit gewohnt, in den Seelen der Menschen zu lesen.
    »Er ist tot?« Ihre Stimme knisterte bei den Worten. Sie musste bereits ahnen, dass keine schlichte Krankheit, kein schlichtes Versagen des Herzens Ambros bewogen hatte, ihn selbst herzubringen, noch dazu in einem solchen Zustand.
    »Sie alle sind tot«, flüsterte Ambros. »Die Sachsen haben sie getötet«, keuchte er, und dann brach die ganze schreckliche Geschichte endlich aus ihm hervor gleich einer Wasserflut, wenn der Damm am Ende bricht.
    Als er zum Ende kam, weinte er. Argante blieb ruhig, doch ihre Stille glich jener eines Herbstwaldes, den ein plötzlicher Frost erfasst. Sie erteilte Befehle, auf dass der Sarg in das Heiligtum gebracht werde und man sich um das Pferd kümmere. Ambros wurde heißes, gewürztes Bier angeboten, das er dankbar trank, aber als sie ihn zu einem Bett führen wollte, schüttelte er den Kopf.
    »Ich kann nicht ruhen, noch nicht. Ich habe zu lange unter zu großer Anspannung gestanden. Vielleicht finde ich Frieden, wenn ich am Ufer entlangspaziere…«
    Argante nickte. »Wenn es irgendwo Frieden gibt, dann hier. Danke, dass du mir Amlodius zurückgebracht hast.«
    Ambros starrte sie an. Begriff sie denn nicht? Wäre er nicht gewesen, hätte ihr Gemahl sich niemals in Gefahr begeben. Sie hob die Hand zum Segen und verließ ihn, und er sah, dass sie in jenen wenigen Augenblicken alt geworden war.
    Ambros ergriff seinen Mantel, ging hinaus und beschritt den Pfad, der zum Ufer hinabführte. Die Insel der Maiden befand sich nur ein paar Bootslängen vom Festland entfernt. Der flachbäuchige Schleppkahn, der seinen Karren herüberbefördert hatte, war ans Ufer gezogen worden. Er wandte sich davon ab und begann, sich einen Weg durch die Felsen zu bahnen, die das Wasser säumten.
    Im Süden, Westen und Norden erhoben sich steile Hügel, dunkle Schemen, die sich wie schlafende Tiere vor dem sternenerhellten Himmel abzeichneten. Aus alter Gewohnheit suchte sein Blick den Polarstern, und er betrachtete die Konstellationen rings um ihn. Er konnte die fixen Sterne nennen und jene, die wanderten, und er war in der Lage, ihre Konjunktionen und Oppositionen vorherzusagen, doch es war ihm nicht gelungen, in Hengests Herz zu lesen. Er war ein Heuchler und Versager, all seine hochgelobte Weisheit wertlos. Mit sieben Jahren war er ein besserer Seher gewesen!
    Ambros schaute zurück zu den Häusergrüppchen. Bei Tagesanbruch würden sie alle die Neuigkeiten erfahren haben und wissen, dass er versagt hatte. Eigentlich musste mittlerweile ganz Britannien wissen, wie der Prophet des Vor-Tigernus in eine Falle getappt war und hilflos zugesehen hatte, wie die Blüte Britanniens hingemetzelt wurde.
    Wie sollte er ihnen unter die Augen treten? Wie sollte er überhaupt irgendjemandem unter die Augen treten?
    Vor ihm wogten die dunklen Wasser leise ans Ufer. Sollen sie mich doch verschlingen, dachte er wie betäubt, und meine Schande ertränken…
    Ambros ließ den Umhang zu Boden gleiten und schritt weiter. Das Wasser erwies sich als äußerst kalt, was ihn jedoch keineswegs aufhielt. Entschlossen ging er weiter, bis ihm das Wasser zu den Knien stand, zur Hüfte, zur Brust. Noch einen Lidschlag, dann würde es über seinem Kopf zusammenschwappen und ihm Frieden bescheren.
    Doch stattdessen wich es wieder bis zur Hüfte zurück. Das Bett des Sees stieg wieder an. Einen Augenblick verharrte er unentschlossen. Aber wenn er nun zur Insel zurückkehrte, würde er nicht nur als Versager dastehen, sondern auch als Narr. Vielleicht würden die Schatten

Weitere Kostenlose Bücher