Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See
auskommt, dann Ihr erst recht!«
»Redet nicht in diesem Ton mit mir!«, rief Gorlosius. »Ihr habt nur das Wort dieses Hexers, dass der Kaiser tot ist, und schon beansprucht Ihr seinen Thron. Glaubt Ihr etwa, er steht Euch einfach so zu, weil Ihr sein Bruder seid? Rom ist weit. Wir brauchen keinen Kaiser mehr, sondern einen Hochkönig wie in alten Zeiten, und der muss aus den Reihen aller Fürsten gewählt werden, wenn die Zeit reif dafür ist.«
»Und so wird es auch sein.« Uthers Stimme zitterte vor Anstrengung, Ruhe zu bewahren. »Aber bis wir nach Venta zurückkehren, untersteht diese Armee meinem Befehl, und Ihr werdet gehorchen!«
Sobald die Verwundeten in der Lage waren zu reisen, begaben sie sich auf die Straße nach Süden. Als sie Demetia erreichten, fanden die Boten sie endlich. Aurelianus war tatsächlich tot – einer Krankheit erlegen, meinten einige, während andere über Gift tuschelten, wenngleich kein Übeltäter gefunden werden konnte. Der Komet war im ganzen Land gesichtet worden, über seine Bedeutung herrschten verschiedenste Meinungen. Doch zu jenem Zeitpunkt hatte einer von Uthers Männern ein Banner entworfen, das einen roten Drachen zeigte, dessen Kopf in einem Lichtkreis prangte. Pendragon, »Drachenhaupt«, nannten sie ihren Anführer, und die Kunde eilte ihnen voraus, sodass, als sie in Venta Belgarum eintrafen, die gesamte Gegend diesen Namen rief.
Und es war der Name Uther Pendragon, mit dem die Fürsten Britanniens ihrem Hochkönig zujubelten.
VII
Das Erbe der Macht
A.D. 461
Im Haus der Hohepriesterin roch es nach Krankheit. Nach der frischen Brise, die vom See hereinwehte, war der Gestank überwältigend. Igraine hielt in der Eingangstür inne, um sich zu sammeln, und die kleine Morgause stieß mit ihr zusammen. Die Botschaft hatte besagt, Argante sei krank und wünsche sie zu sehen, doch die Gestalt im Bett wirkte förmlich geschrumpft, und selbst das Licht der Lampen vermochte nicht, ihrer Haut eine gesunde Farbe zu verleihen. Die greise Frau, die neben ihr saß, erhob sich und bedeutete den beiden einzutreten; Igraine erkannte sie als Everdila, die als Argantes Stellvertreterin diente, wenn die Hohepriesterin nicht hier war.
Igraine legte die Hände auf die Schultern des Kindes und hielt es fest. Morgause, die es noch nie ertragen konnte, umklammert zu werden, versuchte, sich zu befreien.
»Deine Großmutter ruht, Kleines«, erklärte sie und bemühte sich, ihrer Stimme einen festen Klang zu verleihen. »Warum läufst du nicht hinunter zum Ufer, um zu spielen?«
Sie spürte, wie das Mädchen den Kopf schüttelte. »Ich möchte ihr einen Kuss geben.«
Igraine blickte mit jener Verzweiflung auf Morgauses rötliche Locken hinab, die ihre Tochter so oft in ihr auslöste. Sie wollte nicht, dass das Kind seine Großmutter auf diese Weise in Erinnerung behielt, andererseits war Morgause beinahe sechs und somit alt genug, sich der Wirklichkeit des Todes zu stellen. Seufzend löste sie den Griff um die Schultern des Mädchens und folgte ihm ins Innere des Hauses.
»Mutter…«
Argantes Lider zuckten. Kurz blinzelte sie blind, dann schärfte sich der Blick der blauen Augen, und sie lächelte. Als Amlodius gestorben war, hatte ihr Haar gerade erst zu ergrauen begonnen; nun war es schlohweiß. Igraine schluckte. Ihre Eltern hatten ihre Ehe stets so nüchtern betrachtet. Wer hätte gedacht, dass der Verlust ihres Gemahls Argantes Lebensherbst derart versehren würde?
»Du bist gekommen… und die Kleine auch… Es ist gut, dass du zuerst eine Tochter bekommen hast… um das Erbe… anzutreten.«
»Ich bin noch nicht bereit«, entgegnete Igraine.
»Das war ich auch nicht… Dein Lebensweg verläuft immer noch in der Welt dort draußen…« Argante streckte den Arm aus und ergriff die Hand ihrer Tochter. »Du musst zurückgehen und Tigernissa sein. Aber die Zeit wird kommen, da du hierher zurückkehren wirst, um auf dieser Insel die Herrin vom See zu werden. Und nach dir… wird sie herrschen…« Sie streckte sich nach dem Kind.
War das ein Fluch, fragte sich Igraine, oder ein Versprechen? Morgauses dunkle Augen weiteten sich, dann beugte sie sich hinab und küsste die spröde Wange der greisen Frau.
»Großmutter, bist du eine Königin?«
Argante lächelte. »In gewisser Weise bin ich das… Vergesst nicht, was immer in der Welt draußen geschieht, solange die Herrin vom See… hier herrscht…«, sie setzte ab, rang nach Luft, »lebt die Göttin noch… in
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