Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See
verschiedenen.
Ein christlicher König?
Eine walisische Vita des hl. Gildas, geschrieben im 12. Jahrhundert, macht Gildas und Artus zu Zeitgenossen – was im Bereich des Möglichen liegt –, aber keineswegs zu Freunden. Als Melwas, der König von Somerset, Artus’ Gemahlin Guinevere entführt hat, tritt Gildas als Vermittler auf und versucht, ihn davon zu überzeugen, sie freizugeben, bevor Artus, der erst Entsatz aus Somerset und Cornwall heranziehen muss, sie in Glastonbury angreift.
Solche Geschichten sind natürlich nicht als historische Wahrheit zu lesen. Aber sie könnten Hinweise darauf geben, dass Artus nicht für alle als bewundernswerter Held galt, vor allem nicht bei den Mönchen. Er mag Gildas bekannt gewesen sein, aber vielleicht als politischer Gegner, was erklären könnte, weshalb ihn Gildas nie beim Namen nennt. Könnte der keltischen Kirche ein Held peinlich gewesen sein, der selbst kein Christ war (wie im »Dialog von Arthur und dem Adler«)? Oder finanzierte er seine Kampagnen, indem er Kirchengüter konfiszierte? Oder sah man ihn vielleicht im walisischen Hochland als einen arroganten Tiefländer an, der Steuern einzog für Kriege, die so weit entfernt waren, dass sie keinen interessierten?
Allein die Tatsache, dass dieser Nationalheld nicht nur Parteigänger hatte, macht seine historische Existenz eher wahrscheinlicher. Menschen, die große Veränderungen bringen, sind nicht überall beliebt, und manche Zeitgenossen werden immer glauben, dass sie mehr Schaden als Nutzen bringen.
Zumindest wurde Artus kein christliches Begräbnis zuteil. Eine walisische Triade über die Gräber berühmter Männer endet mit dem Satz: »… anoeth ist ein Grab für Arthur.« Anoeth ist ein sehr seltenes Wort; es bezeichnet so etwas wie eine zwecklose Suche.
Zumindest das Grab, das die Mönche von Glastonbury 1191 entdeckten, angeblich mit den Gebeinen Arthurs und Guineveres, die einen von immenser Größe und die anderen von großer Schönheit (was immer das heißen mag), ist ziemlich suspekt. Henry Tudor, selbst ein Waliser, kam diese Entdeckung schon aus politischen Gründen zu gelegen, und die Mönche von Glastonbury hatten zu viel dadurch zu gewinnen. Das Grabkreuz, das dabei angeblich gefunden wurde, ist verschollen, und der Wortlaut wird unterschiedlich überliefert. Im Jahre 1607 veröffentlichte der Antiquar Camden die Zeichnung eines Kreuzes, das die lateinische Inschrift trug: »Hier liegt begraben der berühmte König Artus auf der Insel Avalon.«
Die Inschrift war weder in den Buchstaben des 12. noch des 6. Jahrhunderts, sondern in denen des 10.Jahrhunderts gehalten. Man mag daraus seine Schlüsse ziehen.
Merlin der Prophet
Möglicherweise können wir uns Artus aus einem anderen Blickwinkel nähern, der zunächst überraschen mag. Artus ist nicht vorstellbar ohne Merlin. Während Artus allem Anschein nach eine historische Person war, die in das Reich des Mythos hineinwuchs, ist Merlin eine mythische Gestalt, die Geschichte wurde.
Die Geschichte von Merlin findet sich so, wie wir sie kennen, in der Historia Regum Britanniae. Dort taucht er als das Wunderkind auf, das Vortigern das Geheimnis der kämpfenden Drachen offenbart. Danach hilft er Ambrosius und Uther Pendragon bei der Gründung des Königreiches und wacht schließlich darüber, dass Arthur auf den Thron erhoben wird.
Daneben gibt es jedoch noch einen anderen Merlin, Myrddin Wyllt, »der Wilde«, dessen Geschichte Geoffrey von Monmouth erst nach Vollendung seiner Historia entdeckte und in der Vita Merlini niedergelegt hat. Dieser Merlin wird mit der Schlacht von Arderydd (573) in Verbindung gebracht, über hundert Jahre nach Vortigern und Uther, und er verkündet seine Prophezeiungen nicht in Südbritannien, sondern in der unzugänglichen Wildnis jenseits des Hadrianswalls. Ist somit der Merlin der Historia als eine Fantasiegestalt zu betrachten, von der selbst ihr Urheber später zugeben musste, dass sie zu einer anderen Zeit und in anderer Umgebung anzusiedeln ist?
Sicherlich hätte Merlin nur dann an den Höfen Vortigerns und Arthurs verkehrt haben können, wenn er weit länger gelebt hätte als ein gewöhnlicher Sterblicher. Doch was den frühen Merlin betrifft, lässt sich aus der älteren Historia Brittonum etwas mehr über dessen Hintergründe in Erfahrung bringen.
Nennius legt die Geschichte der Wahrsagung nach Dinas Emrys, ein eisenzeitliches Ringfort in Nordwales. Dorthin soll sich Vortigern nach seiner
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