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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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starrte den Gefallenen an, doch es gab keine Zeit, sich über sein Tun Gedanken zu machen. Ein weiterer, von seinem Ross gestiegener Feind hieb wild mit dem langen Breitschwert der römischen Reiterei um sich; ein Sachse fiel, dann schlug Oesc zu und fing die Klinge mit dem Schaft seines Speeres ab. Die Wucht des Aufpralls schoss den Schaft hinab und riss ihn um ein Haar von den Beinen, aber im nächsten Augenblick durchbohrten zwei Krieger den Briten, und der Mann ging zu Boden.
    Eine Gestalt in römischer Rüstung ragte vor ihm auf, und er stieß zu; entsetzt verfolgte er, wie sich die Speerspitze in den Leib des Mannes grub und seine Züge sich vor Pein verzogen.
    Schaudernd riss Oesc den Speer heraus. Immer und immer wieder hatte sein Schwertmeister ihm erklärt, dass im Kampf keine Zeit zum Denken war. Er konnte ihm jedoch nicht beibringen, dass kein Mensch bei klarem Verstand darüber nachdenken wollte, was seine Klinge anrichtete, wenn sie durch Fleisch und Knochen drang.
    Dann stürmte ein neuer Gegner auf ihn ein; instinktiv wirbelte Oesc herum, fing den Angriff mit dem Schild ab und stieß zu, bis sein Feind fiel oder das Wogen der Schlacht ihn hinwegtrug; er wusste nicht genau, was geschah, denn schon nahte der nächste Feind.
    Schier endlos später brachte ihn ein Schrei von oben wieder zu Sinnen. Sein Speer war gebrochen, in der Hand hielt er die Kurzaxt. Rings um ihn starrten sächsische Krieger empor und ließen die Waffen sinken, während der Rabe über ihnen kreiste, dessen Gefieder sich abwechselnd schwarz und weiß präsentierte, wenn die Sonne darauf gleißte. Oesc entdeckte die Trage, auf welcher der britische König aufs Schlachtfeld gebracht worden war, und ganz in der Nähe seinen Vater, der wie er mit schmerzverzerrter Miene selbst gen Himmel blickte.
    Die Briten aber wandten sich mit frischem Mut wieder dem Angriff zu. »Cathubodva, Cathubodva, Herrin der Raben, Herrin der Schlacht!«, brüllten sie.
    Oesc brüllte auf vor Schmerz, als ihm eine Speerspitze die Schulter aufschlitzte, riss den Schild wieder hoch und versuchte vergebens, die Ohren gegen jenen grässlichen Klagelaut zu verschließen. Der feindliche Speer stieß abermals zu; er spürte, wie das Holz zu brechen begann, dann schwirrten zwei Schatten vorüber, und er vermeinte eine tiefe Stimme rufen zu hören:
    »Halte durch, Wodens Sohn, und der Sieg wird dein sein!«
    Wind wirbelte durch den Staub des Schlachtfeldes; plötzlich lastete eine Spannung in der Luft, die durch Mark und Bein ging. Nun war es der Feind, der innehielt. Oesc schaute empor und erblickte zwei kleinere, dunklere Raben, die dem ersten einen Todeskampf in luftiger Höhe lieferten. Hyge und Mynd, dachte er. Haedwig hat den Gott angerufen!
    Der britische Rabe kreischte seinen Zorn heraus; die beiden Angreifer erwiderten den Schrei, und als das Kreischen der Raben am Himmel aufeinander prallte, zeigte Oescs verschwommene Sicht ihm seinen Gegner als Ungetüm, als grauenvollen Jötun. Das Lodern in seinem Bauch entlud sich in einem Schrei blanker Wut, und er warf sowohl Schwert als auch Schild hinweg und stürzte sich auf seinen Feind.
     
    Es war ein Schwert des Lichts, das durch Verstand und Sicht schnitt, das Mensch von Ungetier, Vernunft von Wahnsinn trennte. Als Oesc wieder zu sich kam, kauerte er auf Händen und Knien. Im Mund hatte er einen metallenen Geschmack von Blut, seine Brust und die Arme waren blutverschmiert. Seine Eingeweide waren in Aufruhr, als er sich auf die Beine mühte. Rings um ihn erhoben sich jene ebenfalls, die noch dazu in der Lage waren. Nur nahe Uthers Trage kämpften die Männer noch, doch als Oesc darauf zutaumelte, durchschnitt abermals ein greller Lichtschein seine Sicht.
    Kurz sah er eine Gestalt, die gegen das strahlende Licht rot erschien. Sie erhob sich aus den Trümmern der Pferdesänfte, und mit einer Hand schwang sie ein Schwert, dessen Hieb alle Feinde im Umkreis gleich einer Sense niedermähte. Dann konnte Oesc das immer stärker flammende Licht nicht mehr ertragen; schluchzend sank er auf die Knie und hob den Arm, um die Augen vor jenem tödlichen Leuchten zu schützen.
    Und dann verlosch es.
    Das Licht des Tages wirkte im Vergleich dämmrig. Dennoch erkannte Oesc, als sich seine Augen erholten, den Leib seines Vaters, aus dessen Halsstumpf noch Blut pumpte. Der Kopf war ein paar Schritte fortgerollt; die Züge zeigten Entsetzen und Überraschung.
    Kaum wissend, was er tat, kroch Oesc weiter, zog sich die Überreste des

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