Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
das meine. Aber so viel will ich sagen: Das Recht am Land steht dem zu, der sich dem Land hingibt. Suche die Hohe Herrin und bringe ihr deine Saat und deine Seele dar.«
    Die Sterne am Himmel verblassten allmählich. Im Morgenlicht verging Hengests Gestalt – kurz vermochte Oesc durch sie hindurch die Schemen der Felder und Bäume zu erkennen, dann war sie verschwunden.
    Er holte tief Luft, als aus Händen und Füßen die Taubheit wich. Die steifen Muskeln wollten sich nicht regen, dennoch mühte er sich auf die Beine und kletterte vorsichtig, weil er sich auf seinen Gleichgewichtssinn noch nicht verlassen konnte, den Hügel hinab. Auf der anderen Seite des Grabens sank er auf die Knie und grub die Finger durch das frische Gras in die Erde.
    »Erde, meine Mutter, mein Leben ist dein. Dafür nehme ich dieses Königreich in meine Hände.«
     
    Als das erste Licht des neuen Tages sich golden auf den sanft fließenden Wassern des Stur brach und auf dem Gras schimmerte, kehrte Oesc, Sohn des Octha, Sohn des Hengest, in die Halle seines Großvaters zurück und bestieg den Thron, der ihn dort erwartete.

VIII
    Schlachten im Nebel
    A.D. 493
     
    »Leben denn überhaupt noch Angeln in Germanien?« Artor ließ die Faust so heftig auf den Tisch niedersausen, dass die Landkarte erzitterte und das Tintenfass beinahe umkippte. »Seit fünfzehn Jahren strömen jeden Frühling mehr von ihnen, Wildgänsen gleich, nordwärts über das Meer. Aber diese Wildgänse fliegen nicht zurück nach Hause. Die Gebiete der Iceni und Trinovantes sind längst an sie verloren, und nun breiten die Angeln sich im Land der Coritani aus. Wenn sie sich mit ihren Landsleuten oberhalb des Abus zusammentun, hat König Icel die halbe Insel im Würgegriff!«
    Eine flackernde Hängelampe verlieh dem grauen, regenblinden Licht, das durch die dicken Fensterscheiben drang, eine unstete Helligkeit. Es regnete schon seit geraumer Zeit.
    »Um Eure erste Frage zu beantworten«, erwiderte Bediver, »in Gallien heißt es, das Heimatland der Angeln sei zur menschenleeren Öde geworden. Wir werden nicht mehr mit weiteren Siedlern rechnen müssen. Um Eure zweite Frage zu beantworten: Die letzten Boten, die eintrafen, berichten, dass Lindum umzingelt ist. Selbst wenn Icel die Stadt nicht einnimmt, ist Ost-Britannien bereits in seiner Hand…«
    »Deine Worte sind wirklich ein großer Trost«, stellte Gwalchmai fest, der sich an den Türrahmen lehnte. Er überragte nun selbst Artor an Größe und musste den Kopf einziehen, um durch die Tür zu gelangen. Sein Bruder Gwyhir, der sich Artors Haushalt zwei Jahre nach seinem Bruder angeschlossen hatte, war ebenso groß, und zweifellos würde auch der junge Aggarban, der dritte von Artors Neffen, der ihnen noch folgen würde, zu einem großen Mann heranwachsen.
    »Lindum war durch den letzten Angriff der Sachsen schwer beschädigt worden, und die Mauern wurden nicht mehr instand gesetzt.« Bediver fuhr mit dem Finger auf der Karte die Römerstraße gen Norden nach. »Mittlerweile könnte die Stadt bereits gefallen sein. Wir hätten schon längst Verstärkung schicken sollen.«
    »Gwalchmai hat Recht«, murmelte der König. »Du kannst einen deprimieren.«
    »Ihr würdet es mir nicht danken, wenn ich Lügen auftischte.«
    Artor blickte mit dem blitzenden Lächeln auf, das seinen Worten die Schärfe nahm. »Selbstverständlich hast du Recht, aber das schlechte Wetter lässt es nicht zu, die Reiterei einzusetzen. Haben die Angeln denn Schwimmhäute? Ich hörte, dass Anglia zum größten Teil aus Sumpfland besteht – sie müssen sich hier wie zu Hause fühlen.«
    Gwalchmai brach in schallendes Gelächter aus. »Darauf wette ich! Ich hätte mir die Füße des guten, alten Oesc ansehen sollen, als er noch hier war. Aber ist er nicht ein Jute?«
    »Seine Mutter war eine Myrging, Hengest hingegen stammte von den Angeln ab. Gott sei Dank ist Oesc fest in Cantium verwurzelt und damit zufrieden, innerhalb seiner Grenzen zu bleiben«, fügte Bediver hinzu.
    »Aber er hat Artor den Eid geleistet – gewiss könnte man ihn rufen.«
    Der König schüttelte den Kopf. »Ich habe einst eine junge Wildgans aufgezogen, sie folgte mir, als sei ich ihre Mutter. Einen ganzen Sommer lang fraß sie mit den weißen Hausgänsen und schien zufrieden. Aber als im Herbst die Wildgänse vorüberzogen, da breitete mein Küken die Schwingen aus und flog davon. Ich habe versucht, es zurückzurufen, und es kreiste dreimal, doch es musste dem Ruf der Wildnis

Weitere Kostenlose Bücher