Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben
niedrige Bänke auf dem Boden zugewiesen.
»Ihr habt gut gekämpft«, sprach Artor, »aber Eure Götter haben Euch in meine Hände gegeben.«
»Woden hat uns betrogen«, murmelte einer der Häuptlinge. »Neun Hengste haben wir ihm geopfert, und dennoch verwehrte er uns den Sieg.«
»Aber viele Eurer Krieger haben nun einen Platz an seiner Tafel«, erwiderte Artor, der einiges über die germanische Religion gelernt hatte, während Oesc sein Gefangener war.
Icel bedachte ihn mit einem frostigen Lächeln. »Woden kümmert sich um seine eigenen Angelegenheiten. Meine Sorge gilt den Lebenden. Was habt Ihr mit jenen im Sinn, die Eure Gefangenen sind?«
»Tötet sie«, brummte Cador, »so wie sie unsere Männer abgeschlachtet haben.«
Die meisten Überlebenden der Schlacht gehörten Icels Hausgarde an, die einen Wall aus Leibern rings um den König gebildet hatte. Wäre Icel gefallen, hätten sie bis zum Tod weitergekämpft, denn allein sein Befehl hätte sie dazu bewegen können, die Waffen niederzulegen. Er beugte sich dicht zu Gwalchmai. »Er fragt gar nicht nach seinem Schicksal.«
Gwalchmai schnaubte verächtlich. »Er weiß, dass der Hochkönig es sich nicht leisten kann, ihn gehen zu lassen.«
Doch Artor stützte sich auf die mit Akanthusblättern beschnitzte Armlehne des Stuhls, senkte das Kinn auf die Hand und wirkte sehr ernst.
»Was soll ich denn Eurer Ansicht nach tun?«
Die Frage brachte Icel letztlich aus der Fassung. »Was soll das heißen?«
»Ihr seid der König dieser Männer – wonach hat Euer Volk an diesen Ufern gesucht?«
»Nach Land! Nach Land, das während der Winterregen nicht überschwemmt wird!«
Artor zog eine Augenbraue hoch, deutete mit einem Kopfnicken auf das überschwemmte Ödland vor der Stadt, und jemand lachte. Icel aber schüttelte nur den Kopf.
»O ja, auch dieses Land wird überschwemmt, aber das Wasser verschwindet wieder und lässt es umso fruchtbarer zurück. Wir können graben, Dämme bauen und gute Felder schaffen. Der Fluss ist nicht so gierig wie das Meer.«
»Die Römer kannten diese Kunst nicht.«
Abermals zuckten Icels Lippen. »Die Römer haben gebaut wie die Riesen von einst, große Werke des Stolzes und der Macht, welche der Erde ihren Willen aufzwangen. Unsere Bauern sind damit zufrieden, mit Weitenruten und Schlamm zu arbeiten, und unser aller Mutter gut zuzureden, um sie milde zu stimmen.«
Artors Blick strich bedächtig über die verblassten Fresken der alten Basilika, die abgetretenen Mosaike des Fußbodens, und er seufzte.
»Die Römer waren in der Tat mächtig, aber sie sind fort, und das Land bleibt«, meinte er schließlich. »Und abgesehen von Eurem Volk gibt es niemanden mehr, um diese Erde zu bestellen.«
Bei den Worten leuchtete etwas in Icels Augen auf, doch seine Züge verrieten keine Regung. Cadors Miene begann sich gefährlich zu verfinstern.
»Viele Männer meines Blutes sind gestorben«, fuhr Artor fort, »aber auch ich bin den Lebenden verpflichtet. Dieses Land als Öde und seine Ufer verwaist zurückzulassen dient niemandem. Dennoch bin ich Hochkönig, und jeder, der hier weilen will, muss sich meinem Willen unterwerfen.« Mit gerunzelter Stirn musterte er Icel. »Wenn ich Euch das Leben schenke, werdet Ihr und Euer Volk dann schwören, diese Ufer zu halten und in meinem Namen zu verteidigen? So wie die Römer den Franken, Burgunden und Wisigoten Gebiete gaben, gebe ich Euch die Länder der Lindenses; Lindum selbst werde ich mit meinen eigenen Leuten bemannen.«
So wie der Vor-Tigernus einst Hengest Land gab, dachte Bediver grimmig, und seht nur, wozu das geführt hat! Aber Hengests Männer waren ein zerlumpter Haufen Söldner und herrenloser Krieger gewesen, kein Volk. Letzten Endes bot Artor dem König der Angeln dasselbe, was er auch Oesc geboten hatte, und dieser Bund schien sich zu bewähren.
Kurz trat Stille ein. »Welche Zusagen fordert Ihr?«, fragte Icel schließlich.
»Ihr sollt schwören, niemals wieder die Waffen gegen mich oder meine Erben zu erheben, dieses Land gegen alle anderen zu verteidigen und mir auf Abruf ein Heer von Kriegern bereitzustellen. Ihr werdet einen jährlichen Tribut zahlen, dessen Höhe von der Größe Eurer Ernte abhängt. In Streitfällen, die Menschen außerhalb Eures Volkes betreffen, werden diese gemäß meinen Gesetzen geschlichtet. Außerdem verlange ich, dass Ihr sämtliche erbeuteten Güter und Schätze herausgebt, dass ein Sohn jeder Eurer Adelsfamilien als Geisel zu mir gesandt wird,
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