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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
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füllte Oescs Horn.
    Der Bräutigam ergriff es, trank und musste an sich halten, um nicht zu husten, als er erkannte, dass es sich nicht um das milde Bier handelte, an dem sie sich bisher gelabt hatten, sondern um ein Gebräu, dessen Süße nicht vollends die Stärke zu überdecken vermochte. Er schluckte und spürte, wie ihm schwindelte, während sich ein Feuer in seinem Bauch ausbreitete. Sogleich gab er das Horn dem anderen Mann zurück.
    »Großartiges Gebräu, aber ich halte mich besser zurück, sonst bin ich meiner Braut wenig nütze.«
    »Wenn du dich nicht entspannst, nützt du ihr ebenso wenig«, gab Ceredic schmunzelnd zu bedenken und hielt ihm sein eigenes Horn hin. »Trink weiter, Mann!«
    »Stimmt«, räumte Oesc ein und griff nach dem Horn.
    »Der Hochkönig Britanniens setzt sich anlässlich deiner Hochzeitsfeier zu seinen sächsischen Feinden. Fühlst du dich nicht geehrt?« Immer noch lächelte er, aber seinen Worten haftete ein bittersüßer Beigeschmack an.
    Oesc zog eine Augenbraue hoch. »Sollte ich mich denn nicht geehrt fühlen?«
    Ceredic zuckte die Schultern. »Artor spricht zwar honigsüß von Frieden zwischen Briten und Sachsen, aber das ist so, als versuchte man, ein Bündnis zwischen Hunden und Wölfen zu schließen.«
    »Du bist doch selbst ein halber Brite«, setzte Oesc an.
    Ceredic grunzte. »Aber im Herzen bin ich Sachse. Das Blut mag sich wohl vermischen, der Geist jedoch muss rein bleiben. Jetzt lecken die Briten ihre Wunden, aber sie hassen uns nach wie vor, besonders Cador, der uns den Tod seines Bruders bei Portus Adurni nie verziehen hat. Es heißt, er hätte sich geweigert, mit Icel Frieden zu schließen und die Armee unmittelbar danach mit all seinen Männern verlassen. Ebenso wenig stellt er sie Artor in Demetia zur Verfügung. Dieser Mann lechzt nach Blut, und ihm ist egal, woher er es bekommt. An deiner Stelle würde ich Wachen an meinen Grenzen aufstellen.«
    »Artor wird ihn an der Leine halten.«
    Ceredic schüttelte den Kopf. »Artor mag sich wohl Frieden wünschen, aber eines Tages werden seine Fürsten ihn zwingen, sich gegen uns zu wenden. Wenn er dich zum Krieg gegen dein eigenes Volk auffordert, wofür wirst du dich dann entscheiden?«
    Eine lange Weile musterte Oesc ihn mit gerunzelter Stirn. Der Met in seinem Bauch erkaltete. »Für mein Land«, antwortete er schließlich. »Für Cantuware.«
    Ceredic öffnete den Mund, als wollte er etwas hinzufügen, dann schloss er ihn wieder. Plötzlich ließ ein Windstoß die Fackeln aufflackern, und Oesc drehte sich um. Haedwig war in den Lichtkreis getreten. Schweigen kehrte ein, als die Männer sie dort stehen sahen, und ein oder zwei, die sich unbeobachtet wähnten, vollführten verstohlene Schutzgesten. Oesc fiel ein, dass Haedwig mittlerweile ihr sechstes Lebensjahrzehnt erreicht haben musste, doch wie immer, wenn sie die Gewandung der Priesterin anlegte, wirkte sie alterslos.
    Die weise Frau ließ den Blick über die Runde wandern, dann wandte sie sich mit einem Lächeln Oesc zu. »Dies ist eine Zeit der Veränderung; die Spindel dreht sich und spinnt neue Fäden für das Netz des Schicksals. Wollt Ihr wissen, mein König, welche Zukunft diese Eure Ehe bringen wird?«
    Die am nächsten stehenden Männer wichen zurück. Oesc stellte fest, dass er jäh ernüchtert war.
    »Fürchtet Ihr Euch etwa?«, fragte sie.
    Er schüttelte den Kopf. Dies war Haedwig, die ihn seit seiner Kindheit geleitet und behütet hatte.
    »Ich fürchte weder dich noch mein Schicksal. Ob gut, ob schlecht – weiß ich’s im Voraus, vermag ich mich ihm besser zu stellen.«
    Die Gäste zogen sich zurück, um den Platz rings um die beiden zu räumen. Haedwig breitete ein Leintuch auf dem Boden aus und holte ein Bündel Runenstäbe aus ihrem Beutel hervor.
    »Sagt denn, was wünscht Ihr zu erfahren?«
    Einen Augenblick verharrte Oesc schweigend im Nachdenken und legte sich die Worte zurecht. »Sag mir, ob diese Ehe gedeihen und meine Königin mir einen Sohn schenken wird, der mir als mein Erbe in diesem Land nachfolgt.«
    Haedwig nickte. Sie schloss die Augen und flüsterte ein Gebet, das er nicht hören konnte. Dann bückte sie sich und warf die Runenstäbe mit einer geübten Handbewegung auf das Tuch.
    Die Eibenholzstäbe klapperten leise, als sie fielen, prallten voneinander ab und lagen dann still. Oesc beugte sich vor und versuchte die Symbole zu erkennen, die in die glatt geschliffenen Seiten der Stäbe geschnitten und gemalt waren.

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