Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
Bastard Cador mich entführt hat, und viel zu viele, um sich die Zeit zu nehmen, mich zu retten! Ich hätte immer noch einen Mann, und euch wäre dieser Krieg erspart geblieben, wenn nicht so viele Anforderungen an die Zeit Eures Sohnes gestellt worden wären!«
Igraine riss sich mit aller Kraft zusammen. »Die Frauen von Demetia, die er vor der Sklaverei in Eriu gerettet hat, würden Euch wohl kaum beipflichten, aber im Nachhinein weiß man ja immer alles besser.« Sie hatte Oesc ein- oder zweimal getroffen, als er noch Artors Geisel war, und ihn für einen liebenswürdigen, wenngleich recht ernsten jungen Mann gehalten. Wie war es nur dazu gekommen, dass er diese Furie geheiratet hatte? »Er hat mich geschickt, weil ich weiß, was es heißt, den Ehemann zu verlieren« , fuhr sie fort. »Artor wird uns in Cantium erwarten.«
»Mit Oescs Asche…« Kraftlos sackten Riganas schmale Schultern herab. »Nachts liege ich wach und erinnere mich an die bitteren Worte, die zwischen uns gefallen sind. Und doch habe ich den Mann geliebt, obwohl er ein Sachse und der Erbe des alten Feindes meiner Familie war.«
»Auch Artor hat ihn geliebt«, gab Igraine mit leiser Stimme zu bedenken.
Gemeinsam brachen die beiden Frauen den Pfad entlang auf, der sich um den Rand der Klippe wand. Der Steinwall war hier niedrig, eher ein Schutz für die Menschen auf der Innenseite denn eine Verteidigungseinrichtung. Kein Boot konnte zwischen den Felsen am Fuß der steilen Klippe passieren, die sich über dem wogenden Glitzern der See auftürmte. Sie bahnten sich einen Weg durch die verfallenen Überreste der kegelförmigen Hütten, in denen Mönche gehaust hatten, bis Gorlosius Dun Tageil in einen Wachposten verwandelte, dann folgten sie der Kurve um den Felsen zurück zur Halle.
»Oesc hat ihm vertraut«, meinte Rigana verbittert. »Meinetwillen hätte er sich nicht gegen sein eigenes Volk gewandt, aber ich glaube, hätte Artor es von ihm verlangt, hätte er es getan.«
»Er ist Euretwillen gegen Artor in den Krieg gezogen«, erinnerte Igraine sie.
»Glaubt Ihr, ich hätte mir nicht auch dafür die Schuld gegeben?«
»Gib Cador die Schuld.«
»Der ungestraft davonkommt!«, rief Rigana hitzig aus.
»Nicht gänzlich ungestraft. Soweit ich weiß, wird er nie wieder in der Lage sein, ein Pferd zu reiten.«
»Artor hätte ihn töten sollen! Er hat mich gedemütigt – mich eine Hure genannt, die sich für ein warmes Bett und ein scharlachrotes Hemdkleid an den Feind ihres Landes verkauft hat!«
Sie hatten wieder innegehalten. Unter ihnen schimmerte das träge Küstenwasser des Meeres leuchtend wie ein Smaragd.
»Das wollte er«, antwortete Igraine, »aber er brauchte Cadors Männer. Das Wohl Vieler überwog den Wunsch nach Rache – eine Lektion, die Ihr noch lernen müsst, wenn Ihr Cantium halten wollt, bis Euer Sohn erwachsen ist.«
»Ist es das, was Artor vorhat?« Riganas Augen weiteten sich.
»Cantium ist Britanniens Tor zum Osten. Artor hat darauf vertraut, dass Oesc es für ihn halten würde, und es seinem Sohn versprochen. Ihr entstammt dem alten Blut des Landes. Bis er erwachsen ist, seit Ihr Cantiums Königin. Ihr müsst Euch für einen guten Mann entscheiden, der Eure Hausgarde anführt.« Jäh verstummte sie, denn Rigana hörte ihr nicht zu.
Über ihnen kreisten schreiend Möwen. Rigana hatte sich zur Halle umgedreht, und Igraine hörte neben dem Gekreische der Vögel einen leiseren Schrei.
»Eormenric – « Kurz verschränkte Rigana die Arme vor der Brust, wo sich als Antwort auf den Ruf des Säuglings ein dunkler Milchfleck ausbreitete, dann eilte sie den Pfad hinab.
Igraine folgte ihr langsam und stählte sich gegen Erinnerungen, die gleich der Brandung der See über ihr zusammenschlugen. Vor ihrem geistigen Auge wich der strahlende Nachmittag einer mondhellen Nacht, und sie sah Uther auf sich zukommen. Als eine Gestalt, die in einen Mantel gehüllt war, sich vor ihr erhob, zeigte sie sich keineswegs überrascht; sehnsüchtig streckte sie die Arme danach aus »Fürstin… ich begrüße Euch…«
Eine Frauenstimme. Vom Tageslicht geblendet, wich Igraine zurück.
Jemand ergriff ihre Hand und zog sie zurück auf den Pfad, wo sie ob der Nachwehen ihres Tagtraums zitternd verharrte.
Die Frau, die sie festhielt, wirkte ein wenig gebückt, hatte graue Strähnen im Haar und trug ein graues Kopftuch. Es dauerte eine Weile, bis Igraine erkannte, dass jenes Schimmern rings um die Fremde kein Makel ihrer Augen, sondern die
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