Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
Gefiedertes herausschoss. Es war ein Gockel, der sich alles andere als glücklich darüber zeigte, in dem Beutel eingesperrt gewesen zu sein. Aber seine Füße waren zusammengebunden, weshalb er nicht weit kam, so sehr er auch mit den Flügeln schlug.
»Blut ist Leben«, erklärte Morgause. »Dreh dem Vogel den Kragen um und lass das Blut in die Quelle fließen.«
Medrod schaute von dem Gockel zu seiner Mutter und schüttelte den Kopf. Seine Miene wirkte finster vor Abscheu.
»Was, fürchtest du dich vor ein bisschen Blut? Wenn du ein Krieger bist, wirst du Menschen töten! Tu es, Medrod – tu es jetzt!«
Abermals schüttelte das Kind den Kopf und begann zurückzuweichen. Morgause zwang sich, ihr Wut im Zaum zu halten.
»Ich weihe dich in Geheimnisse ein, für die manch ein Erwachsener teuer bezahlen würde. Du wirst mir nicht trotzen. Schau her!« Ihre Stimme wurde sanfter. »Es ist ganz einfach.«
Mit einem flinken Satz ergriff sie seine Hände und drückte sie um den Hals des Federviehs. Der Junge sträubte und wehrte sich, schüttelte unablässig den Kopf und weinte.
Morgause konnte sich kein Mitleid leisten. Sie verstärkte den Griff, drehte dem Gockel den Kragen um, riss den Kopf ab und warf ihn beiseite.
Medrod schrie auf, als das Blut spritzte, aber sie hielt seine Hände unbarmherzig auf dem Körper des Vogels fest; sie wusste nicht, ob die Schauder, die durch ihre verflochtenen Finger zuckten, jene des sterbenden Hahnes oder die ihres Sohnes waren.
IV
Die Herrin des Tors zum Osten
A.D. 495
In der Stunde vor der Morgendämmerung versammelten sich die Priesterinnen im größten der Rundhäuser auf der Insel der Maiden. Nebel hing gleich einem Schleier über dem See, schimmerte wie goldene Auren um die Lampen. Schweigend und angespannt, manche noch die schlaftrunkenen Augen reibend, trudelten sie ein und nahmen rings um den Kamin ihre Plätze ein.
Igraine wartete auf sie. Seit dem Sonnenuntergang der vorigen Nacht, als ihr zur Abendandacht geöffneter Geist Merlins Botschaft empfing, war sie nicht mehr in der Lage gewesen zu schlafen. Mit Beginn des letzten und größten Sachsenaufstandes hatten die Priesterinnen sich dreimal täglich getroffen, um den Feldzug der Briten mit der Kraft ihrer Geister zu unterstützen.
Heute aber würden sie die letzte Schlacht erleben, das endgültige Aufeinandertreffen mit dem uralten Feind. Durch Merlins Augen hatte sie den Hügel namens Mons Badonicus gesehen, wo Artors Armee umzingelt war; eine wuselnde Masse am Fuß des Hügels umringte die vereinzelten Lagerfeuer auf dessen Kuppe. Die Männer waren erschöpft, zu essen gab es nur noch wenig, das Wasser war beinahe aufgebraucht. Bei Sonnenaufgang würden sie alles auf eine letzte Karte setzen und gegen den Feind ausreiten.
Die gegen die Kälte in ihre hellen Mäntel gehüllten Priesterinnen hockten gleich einem Steinkreis da, und wie bei Steinen wurzelte auch ihre Kraft in der Erde Britanniens. Mit Igraine waren es dreizehn – sämtliche alteingesessenen Priesterinnen und die begabtesten der Mädchen. Sie bedeutete der Trommlerin, mit ihrem gleichmäßigen Takt zu beginnen. Dann holte sie tief Luft und ließ ihr Bewusstsein durch die flüssigen Schichten rings um die Insel sinken und noch tiefer, hinein in das Grundgestein darunter. Nach und nach beruhigte sich ihr Puls, ihr Atem verlangsamte sich. Hier, in den Grundfesten aller Dinge, gab es weder Hoffnung noch Furcht. Es gab nur reines Sein, unverändert, ungetrübt.
Sie hätte ewig an jenem sicheren, wohl behüteten Ort verweilen können, aber obwohl ihre Anspannung gewichen war, rüttelten die langen Jahre der Übung, verstärkt durch ihre Entschlossenheit, jenen Drang wach, der noch stärker war als die Furcht um ihr Land, nämlich den Drang, ihr Kind zu beschützen. Langsam ließ sie ihr Bewusstsein aufsteigen und ein Band der Einheit mit der Erde darunter emporziehen, bis sie wieder jene Ebene erreichte, auf der sie saß.
Igraine hob die Arme, die Trommelschläge wurden schneller. Mit der Genauigkeit langer Übung streckten die anderen Priesterinnen im Einklang die Arme aus. Eine nach der anderen reichten sie sich die Hände, und nachdem der Kreis geschlossen war, flammte ein Impuls der Macht von Verbindung zu Verbindung. Mit jedem Atemzug wurde Kraft aus der Tiefe gezogen, die durch den Leib floss, über die linke Hand auf jene der nächsten Priesterin übersprang und von dort weiterzog.
Mit jeder Runde schwoll die Macht an, steigerte sich zu
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