Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel
und der Regen hatte beinahe aufgehört, doch kaum waren sie eine Stunde unterwegs, da wünschten sie ihn schon zurück, denn die durchtränkte Erde gab die Feuchtigkeit in Form von Nebel ab. Die schweren, tief hängenden Schwaden lasteten schwer auf den Lungen, drangen bis ins Mark vor.
Rechter Hand schien ein Trampelpfad abzuzweigen; in der Hoffnung, über den Nebel zu gelangen und Zuflucht zu finden, lenkten sie die Pferde hügelaufwärts. Die Pikten, die sie begleitet hatten, kannten die Gegend zwar, doch nun besaß keiner von ihnen eine derart genaue Ortskenntnis von jedem Fels und jedem Baum, die sie hätte geleiten können.
Der Nebel dämpfte jedweden Laut. Mittlerweile waren sie abgestiegen, und Artor hörte deutlich, wie Corvus sich klappernd und scharrend einen Weg über Schlamm und Stein bahnte. Die Geräusche der anderen Pferde ertönten wie aus weiter Ferne, und bei Einbruch der Dunkelheit verwandelten sich die Gestalten in Schatten, die man eher spürte als sah.
Etwas befand sich vor ihnen; das schwarze Ross riss den Kopf empor und wieherte erschrocken. Artor zog ihn herab und tätschelte den verschwitzten Hals, um das Tier zu beruhigen. Es war nur ein großer Felsblock, obwohl er im Halbdunkel wie eine lauernde Bestie wirkte. Artor führte Corvus um den Fels herum und zog ihn behutsam hinter dem entschwindenden Schatten des Pferdes vor ihm her.
Zumindest glaubte er das. Er war wohl etwa so lange gegangen, wie es brauchte, ein Ei zu kochen, ehe er erkannte, dass die Gestalt, der zu folgen er vermeint hatte, ein weiterer Felsblock war. Jäh hielt er inne und lauschte. Corvus’ schweres Schnauben war das einzige Geräusch.
Eine Weile verharrte der König und fluchte. Dann tastete er nach dem Riemen, an dem sein Horn befestigt war. Er setzte es an die Lippen und blies; in der schweren Luft klang der Laut dumpf. Von irgendwo weiter oberhalb ertönte eine Antwort. Artor löste die Zügel, und das Pferd setzte sich in Bewegung.
Noch drei weitere Male blies er ins Horn, und jedes Mal ertönte die Antwort schwächer, bis er gar nichts mehr hörte. Mittlerweile war die Finsternis vollkommen; zöge er weiter, ginge er das Wagnis ein, dass Corvus sich in einem verborgenen Loch die Beine brach. Das Gelände stieg an. Artor stieß sich die Zehe an einem großen Stein und machte einen Schritt zur Seite. Dahinter fand er ebeneren Boden vor.
Zitternd hielt sein Ross inne, und Artor riss an den Zügeln. Selbst in der dichten Luft bemerkte er die Veränderung in der Umgebung, die ihm verriet, dass der Stein, den er soeben passiert hatte, kein gewöhnlicher Felsblock gewesen war, doch mittlerweile war es ihm einerlei. Wenn der Ort das Pferd nervös machte, würden ihn vielleicht auch wilde Geschöpfe meiden. Weitergehen konnte er ohnehin nicht.
Blind tastend legte er dem Ross Fußfesseln an und entfernte das Zaumzeug, dann löste er die Satteldecke und legte sie neben einen hochkant aufragenden Stein auf den Boden. Halb darüber lag eine weitere Steinplatte. Artor zog die Decke darunter und war dankbar für jedweden Schutz, den der Stein bieten mochte. Schließlich wickelte er sich in den piktischen Plaid und legte sich hin.
Im Schutz der Steine war es wärmer, als er erwartet hatte. Unter der Decke spürte er etwas, das sich wie Tonscherben anfühlte und wischte sie weg. Bruchstückhafte Warnungen zerrten an seinem Erinnerungsvermögen, doch die Erschöpfung übermannte ihn bereits. Bevor er entscheiden konnte, ob er sich fürchten sollte oder nicht, war er bereits eingeschlafen.
»Artor… Verteidiger Britanniens… erhebe dich…«
Blinzelnd setzte der König sich auf. Er war froh, aus dem alten Albtraum über den Mons Badonicus zu erwachen, aber während er sich verwirrt umblickte, fragte er sich, ob er sich in einem weiteren Traum befand. Zwar war es immer noch Nacht, doch in dem Kreis herrschte kein Nebel, und die Steine leuchteten. In ihrem gespenstischen Licht sah er, dass sein Unterschlupf aus einer Steinplatte bestand, die wie bei einem Tisch auf zwei anderen ruhte, doch anstelle blanker Erde, die er darunter erwartet hatte, erblickte er einen hellen Tunnel, der in den Hügel führte.
»Artor, komm zu mir…«
Rasch sah der König sich um. Sein Pferd stand angebunden da, das Haupt im Schlaf geneigt. Der Ruf erklang aus der Tiefe. Ein entferntes Raunen seines Verstandes mahnte ihn, nicht zu antworten, aber die Stimme war süß wie seiner Mutter Schlaflieder, golden wie Gwendivars Lachen. Kein
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