Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel
sich ins Gespräch, »solange er meine Steuern nicht braucht! Sollen doch die Menschen Galliens seine Armee unterstützen, wenn sie seine Anwesenheit so sehr wünschen.«
Zustimmendes Gemurmel erhob sich von zahlreichen Anwesenden.
»Die letzten Jahre ist es uns auch ohne ihn recht gut ergangen!«, rief jemand am gegenüberliegenden Ende der Halle. Medrod spähte durch die Schatten und erkannte den Fürst von Gwenet.
Cunobelinus drehte sich mit finsterem Blick zu ihm um. »Aber wie lange wird die Pax Artoria ohne den König andauern? Drest Gurthinmoch hat sich zwar bislang an seinen Pakt gehalten, doch mittlerweile wächst eine neue Generation mit den Geschichten über Britanniens Reichtum heran. Wie lange wird er imstande sein, sie im Zaum zu halten? Und falls er denkt, Artor hätte uns aufgegeben, wie lange wird er es überhaupt versuchen?«
»Der König hat uns keineswegs aufgegeben!«, rief Gwendivar aus, auf deren Wangen zwei glühend rote Flecken prangten.
Vielleicht hat er das nicht, Fürstin, dachte Medrod, aber Euch scheint er sehr wohl aufgegeben zu haben! In ihrem Zorn war sie wunderschön anzuschauen. Voller Verachtung rief er sich seine Mutter ins Gedächtnis, die ebenfalls allein herrschen musste, als Leudonus zu schwach dafür wurde. Aber Morgause hatte nach Macht gelechzt.
Wonach lechzt Ihr, Gwendivar, fragte er sich, während er sie musterte, oder wisst Ihr es selbst nicht? Letzte Nacht hatte er von Kea geträumt, jener piktischen Sklavin, die seine erste Frau gewesen war. So wie die Königin hatte auch sie wunderbar runde Formen besessen, mit in der Sonne bernsteinfarben schimmerndem Haar. Zu jener Zeit hatte er sie für wunderschön gehalten, doch im Vergleich zu Gwendivars Ausstrahlung glich ihr Licht der trüben Flamme einer Öllampe.
»Artor verlangt von uns Steuern – Gold und Korn.« Mittlerweile sprach Peredur von Eboracum. »Und für die Verteidigung Britanniens haben wir sie ihm nie verwehrt – « Sein grimmiger Blick wanderte über die Versammelten, als zählte er jene, die ihre Unterstützung manchmal doch verwehrt hatten, sogar während der Sachsenkriege. »Aber es widerstrebt mir zutiefst, Vorräte übers Meer zu schicken, die wir selbst brauchen werden, wenn die Pikten die Grenze überschreiten!«
Das folgende Getuschel glich dem Rauschen einer fernen Brandung. Mit vor Zorn geröteten Wangen beobachtete Gwendivar die Versammelten, erhob sich und starrte sie in Grund und Boden, bis wieder Stille einkehrte. Als sie aber sprach, erklang ihre Stimme ruhig.
»Zweifellos gibt es zahlreiche Punkte zu bedenken, und wir sitzen schon lange beisammen. Hunger ist wohl kaum ein geeigneter Ratgeber. Lasst uns zu dem Mahl schreiten, das meine Köche vorbereitet haben, und uns erneut versammeln, wenn die Sonne wieder aufgeht.«
Während Medrod den anderen aus dem Rundhaus folgte, beobachtete er weiterhin die Königin. Obwohl ihre Zofen sie begleiteten, wirkte sie einsam, und die Anspannung, die in der Halle zu zeigen ihr Stolz verboten hatte, zerfurchte ihre Stirn.
Britannien mag in der Lage sein, ohne Artor auszukommen, dachte er, aber falls er nicht zurückkehrt, was wird dann aus der Königin? Sein Blick folgte ihr, als sie ihre Gemächer betrat. Unvermittelt blinzelte er, als für einen Moment lang die Erinnerung an den Traum, in dem die kleine Kea in seinen Armen gelegen hatte, sein Bewusstsein ausfüllte.
»Medrod!«
Er drehte sich nach dem Schrei um und sah den Erben Viroconiums auf sich zueilen. Martinus war ein Junge mit einem offenen Gesicht und begierigen Augen, doch er mochte durchaus nützlich sein. Medrod hielt inne und zwang seinem Antlitz eine freundliche Miene auf.
»Ich habe gehört, dass du letzten Frühling gegen Wilde aus Lochlann gekämpft hast. Wie waren sie? Wie viele hast du getötet?«
Nur mit einiger Mühe gelang es Medrod, sein Lächeln beizubehalten. Martinus’ Stimme war gleichermaßen durchdringend und laut; andere drehten sich nach ihnen um, überwiegend jüngere Männer, zweitgeborene Söhne und die Erben von Häuptlingen. Er erblickte Caninus von Glevum, der bereits als wackerer Kämpfer galt, außerdem die beiden Vettern aus Gwenet, Cunoglassus und Maglocun. Kaum eine Minute war verstrichen, da hatte sich bereits eine Gruppe um Medrod geschart. Was immer er zu sagen hatte, würde bestimmt interessanter sein als das politische Geschwafel der Älteren.
»Sie sind fürwahr ungestüme Krieger, aber keine Ungeheuer. Wenn ihr wollt, erzähle ich euch die
Weitere Kostenlose Bücher