Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brixton Hill: Roman (German Edition)

Brixton Hill: Roman (German Edition)

Titel: Brixton Hill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Beck
Vom Netzwerk:
während uniformierte Polizisten die Strecke säumten. Em passierte das Waldorf Hilton, die London School of Economics, bis sie St Clement Danes sehen konnte. Hier wurden es immer mehr Demonstranten, wobei Em mit größeren Protesten gerechnet hatte. Die Trauernden, die kleine Union Jack-Wimpel, Fähnchen, Blumen, Bilder von Thatcher dabeihatten und verhalten schwarz gekleidet waren, überwogen. Hier würden sie Thatchers Sarg auf eine Lafette setzen, die von sechs Pferden gezogen wurde, begleitet von zwei weiteren Reitern: einem Sergeant und einem Offizier. Den Sarg begleiteten außerdem Repräsentanten aus den Einheiten, die im Falklandkrieg eingesetzt worden waren, jeweils von der Royal Navy, Royal Marines, Scots Guards, Welsh Guards, Royal Artillery, Royal Engineers, Parachute Regiment, Royal Gurkha Rifles, zwei Repräsentanten der Royal Air Force und zwei Soldaten der Household Cavalry. Vor St Paul’s wartete eine Ehrengarde. Über viertausend Polizisten waren heute im Einsatz, um größere Ausschreitungen und Proteste zu verhindern. Insgesamt kostete die Beerdigung zehn Millionen Pfund.
    Ein Mann hielt ein Plakat hoch, auf dem in roter Schrift stand: »Rest in peace shame«. Ein anderer malte gerade auf ein Pappschild: »Maggie may ye roast in hell.« Ein paar junge Mädchen verteilten Flugblätter. Em warf im Vorbeigehen einen Blick darauf, sie listeten die Negativschlagzeilen von Thatchers Politik auf. Ein älterer Mann mit dem Akzent eines schottischen Minenarbeiters brüllte beharrlich in das Mikrofon eines Journalisten, wie unverschämt er es fand, dass seine Steuergelder für die Beerdigung einer Frau verschleudert wurden, die ihm nicht nur seinen Job und seine Ehre genommen hatte, sondern deren Privatvermögen leicht ausgereicht hätte, um die Kosten zu tragen. Überall wurde gefilmt und fotografiert. Einige hatten professionell wirkende Kameras, andere begnügten sich mit ihren Handys. Eine grauhaarige Frau diskutierte lautstark vor der laufenden Kamera eines Reporters mit uniformierten Polizisten über ihr Recht, an genau dieser Stelle stehen und friedlich demonstrieren zu dürfen. Dann ertönten die Glocken von St Clement Danes, und es wurde schlagartig still. So still, wie es sonst nie in London war: grabesstill.
    Em wandte sich um und sah, wie junge Männer in Militäruniformen den Sarg auf den Schultern zur Lafette trugen. Auf dem Sarg der Union Jack und ein Gesteck aus weißen Rosen. Sie legten den Sarg ab, stellten sich auf, Marschtrommeln ertönten, und die Prozession durch die Straßen der Londoner Innenstadt begann.
    Außer den Trommeln war immer noch nichts zu hören. Neben Em stand ein Mann mit einem Strauß blauer Rosen und weinte still. Sie wandte sich ab und fühlte sich wie der Prinz in Dornröschen, als sie sich durch die erstarrte Menge trauernder Menschen schlängelte. Erst als die Musik begann, erwachten sie. Die wenigen Buhrufe ertranken in lautem Beifall, als der Sarg vorbeirollte.
    Em kam schneller voran als die Prozession. In der Fleet Street klingelte sie an einer Tür, aber niemand öffnete. Sie klingelte wieder, doch es passierte immer noch nichts. Dann hielt sie den Finger auf den Klingelknopf gepresst und wählte gleichzeitig eine Nummer mit ihrem Handy.
    »Würden Sie einfach mal die Tür aufmachen?«, sagte sie, als sich am anderen Ende eine genervte Stimme meldete. Sie konnte den schrillen Klingelton, den sie erzeugte, selbst durch das Telefon kaum ertragen.
    Der Türöffner surrte. Em eilte die Treppen hinauf in den zweiten Stock und öffnete die Tür zu der Kanzlei. Ein junger Mann in einem teuren Anzug saß am Empfang und musterte sie mit ausgesuchter Verachtung.
    »Ist Alex Hanford zu sprechen?«
    »Haben Sie einen Termin?«
    »Es ist dringend.«
    »Nein.«
    »Nein?«
    »Er ist nicht zu sprechen.«
    »Weil ich keinen Termin habe?«
    »Richtig.«
    »Mein Name ist Emma Vine. Das dürfte Ihnen etwas sagen.«
    Der Junge versuchte, sich den Schreck nicht anmerken zu lassen. »Ich … ruf mal durch«, murmelte er. »Herzliches Beileid, nachtr … Also, mein Beileid.«
    »Danke.«
    Sie ließ sich auf eines der Ledersofas im Wartebereich der Kanzlei fallen. Der Junge nuschelte etwas in den Telefonhörer. Dann legte er auf und sagte: »Leider ist Mr. Hanford noch in einem Termin. Fünf Minuten …«
    »Ja. Schon gut.«
    »Darf ich Ihnen einen Kaffee …«
    »Nein. Danke.«
    Der Junge sah sie unglücklich an. »Es klingeln schon den ganzen Morgen irgendwelche Leute«, sagte er

Weitere Kostenlose Bücher