Broadway-Grusical
dort eine Beule hinterlassen, wie Laurie durch behutsames Tasten feststellte. Als die Fingerkuppe über die Beule hinwegstrich, zuckte sie zusammen, denn der Schmerz stach bis unter die Schädelplatte.
Eine Warnung für die Reporterin, die jetzt noch vorsichtiger war, nichts tat, sondern nur die Augen öffnete.
Zunächst verstand sie nichts. So vergingen einige Sekunden, bis ihr klar wurde, dass sie sich nicht in einem normalen Raum oder Zimmer befand, sondern in einer anderen, für sie völlig fremden Welt. Sie war unheimlich, so anders, schien gefüllt zu sein mit einem dumpfen Grauen und drückender Hitze, so dass das Atmen zur Qual wurde. Die Welt war nicht dunkel, und die Umgebung erinnerte die Gefangene an eine Höhle, in der es mehrere Abstufungen gab, so wie man sie von den Berghängen her kannte. Vorsprünge, Treppen, Leitern und Nischen innerhalb der Höhle bildeten so etwas wie die Einrichtung dieser fremdartigen Welt.
Licht sah sie auch. An verschiedenen Stellen glühte es auf. Es waren für sie bläulich schimmernde Flecken oder dampfende Inseln, denn durch die Lichtkreise zog manchmal träge der Rauch oder Nebel. Ein muffiger Geruch traf ihre Nase. Es stank aber auch nach feuchter Schminke, nach Schweiß und Leim.
Vielleicht hätte sich Laurie längst einen Reim auf all die Dinge gemacht, so aber überwogen noch die Schmerzen in ihrem Kopf, die das logische Denken einfach nicht zuließen. Selbst das Schauen war für sie zu anstrengend, deshalb schloss sie die Augen und tat nichts. Erst einmal erholen…
Dazu kam es nicht. Auf das Knacken achtete sie nicht, aber die folgenden Stimmen konnte sie einfach nicht überhören. Sie waren da, und Laurie wurde aus ihrer Lethargie gerissen, denn eine Stimme kannte sie sehr genau.
Sie gehörte Liz Vacarro!
Weshalb sie lautsprecherverstärkt an ihre Ohren drang, konnte sie nicht sagen. Möglicherweise gehörte dies zu einem Psycho-Terror, dem man sie aussetzen wollte.
»Habe ich nicht gut gehandelt?« fragte Liz.
»Ja, das finde ich auch. Du solltest mich deshalb immer informieren, wenn etwas Bestimmtes anliegt.«
»Das hatte ich versprochen.«
»Nur so kann man überleben«, antwortete der Mann, über dessen Stimmenklang Laurie nachdachte, aber im Augenblick nicht darauf kam, wo sie diese Stimme schon einmal gehört hatte. Das war noch im Schwimmbad gewesen, aber nicht nur dort allein. Auch schon vorher hatte sie die Stimme wahrgenommen. Und zwar in einem bestimmten Zusammenhang.
»Was soll mit ihr geschehen?« fragte Liz.
»Sie muss für ihre Neugierde büßen.«
»Der Meinung bin ich auch. Im Schädel?«
»Ja.«
»Also noch ein Mord.«
»So darfst du es nicht sehen. Niemand wird hier ermordet. Man geht nur in einen anderen Zustand über, klar?«
»Ja, ich vergaß. Und die Vorstellung? Wird sie heute Abend normal ablaufen?«
»Können wir uns einen Ausfall leisten, Liz?«
»Nein.«
»Eben. Ich bin sehr wichtig für das Stück. Ohne mich verliert das Grusical den Schrecken. Da läuft überhaupt nichts.« Der Mann lachte wieder, und gerade diese Lache war so typisch für ihn. Anhand dieser Eigenschaft konnte er auch identifiziert werden. Selbst Laurie schaffte es.
»Gary Giesen!« hauchte sie. »Das ist Dr. Horror, der Hauptakteur, der Teufel vom Dienst…«
Sie hatte das Stück einige Male gesehen, kannte den Inhalt sehr gut und damit auch Dr. Horror und dessen teuflisch-perverse Lache, die selbst den zahlreichen Zuschauern Angstschauer über den Rücken trieb, wenn sie plötzlich aus dem Dunkel der Bühne aufschallte. Dabei sah dieser Gary Giesen gar nicht so gefährlich aus. Er war eher klein, nicht unscheinbar, er stellte schon etwas dar, aber wenn er lachte, schien die Hölle zu explodieren. Der lachte nicht nur wie ein Teufel, man konnte ihn schon selbst als einen Satan bezeichnen. Der letzte Dialog hatte der Gefangenen bewiesen, dass sie sich nicht allzu viele Chancen auszurechnen brauchte. Zudem war sie eine Zeugin, und in einem Fall wie diesen ein Zeuge zu sein, endete in der Regel tödlich. Sie brauchte nur an die Menschen zu denken, die die kleinen Killer erkannt hatten. Eiskalt hatte man sie getötet. Lauries Herz schlug plötzlich schneller. Jetzt erst war ihr so richtig bewusst geworden, in welch einer prekären Lage sie steckte. Man konnte sie schon als lebensgefährlich bezeichnen, und sie musste alles tun, um aus diesem Gefängnis zu fliehen.
Sicherlich suchten John Sinclair und Bill Conolly längst nach ihr. Sie würden kaum
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