Brockmann Suzanne
rot und verschwollen waren. Sie hatte geweint.
„Immer noch Kopfschmerzen?“, fragte Colleen.
„Und wie!“
„Versuch zu schlafen.“
Ashley schüttelte den Kopf. „Das geht nicht. Ich muss das hier schreiben.“
„Schreiben? Was denn?“
„An meinen Vater. Meine einzige Möglichkeit, mir bei ihm Gehör zu verschaffen. Armselig, nicht war?“
Colleen seufzte. Ja, es war armselig. Die ganze Beziehung zwischen Ashley und ihrem Vater war eine überaus armselige Angelegenheit. Das ging so weit, dass sie sich an sämtlichen Telefonapparaten in der Wohnung die Nummer des Anrufers anzeigen ließen, damit sie Anrufe von Mr DeWitt gar nicht erst entgegennahmen. Colleen hingegen freute sich über jeden Anruf ihres Vaters.
„Warum erledigst du das nicht später?“, fragte sie ihre Freundin. „Wenn die Kopfschmerzen weg sind.“
Ashleys Kopfschmerzattacken waren immer grausam. Sie hatte sich untersuchen lassen. Migräne hatte sie nicht, aber die Schmerzen tobten sich durchaus ähnlich aus. Der Arzt meinte, sie würden durch Anspannung und Stress ausgelöst.
Genau das, was eine künftige Rechtsanwältin brauchen konnte.
„Ich helfe dir dabei“, fuhr Colleen fort. „Du musst mir nur erzählen, was passiert ist. Warum du mich seit Mitte Mai weder angerufen noch mir eine E-Mail geschickt hast. Ich nehme an, es gibt da einen Zusammenhang?“ Es gab einen. Das konnte sie Ashleys Gesichtsausdruck ansehen. „Ich schicke Bobby weg, okay?“
„Bloß nicht!“ Die Empörung verlieh Ashley ein wenig Energie. „Colleen, ich bitte dich! Du himmelst diesen Kerl seit Jahren an! Nebenbei bemerkt, er sieht fantastisch aus. Und er ist riesig! Du hast mir ja erzählt, dass er groß ist, aber so hatte ich ihn mir nicht vorgestellt. Wie groß ist er?“
„Das weiß ich nicht so genau. Eins achtundneunzig? Vielleicht größer.“
„Er hat Hände wie Baseballhandschuhe.“
„Oh ja“, gab Colleen zurück. „Große und sehr sanfte Hände.“
Ashley rang sich ein schwaches Lächeln ab, das schnell wieder erstarb.
„Perfektes Timing“, seufzte sie. „Warum musste ich ausgerechnet jetzt nach Cambridge zurückkommen und dir im Weg sein …“ Sie legte die Stirn in ihre Hände, die Ellenbogen auf dem Schreibtisch abgestützt. „Ich habe gesehen, wie er dich anschaut, Colleen. Du brauchst nur ein Wort zu sagen, und er bleibt über Nacht.“
„Er hat mir was von ‚Lass uns Freunde bleiben‘ erzählt“, meinte Colleen.
„Du machst Witze.“
„Nein, leider nicht.“
„Das tut mir leid.“
„Tja, nun …“ Colleen lächelte gezwungen. „Ich glaube ja, dass er lügt. Dass er meint, es nicht mit seiner Ehre vereinbaren zu können, weil ich die Schwester seines besten Freundes bin. Ich muss ihn irgendwie davon überzeugen, dass das in Ordnung ist. Dass er sich nicht in mich verlieben und mich heiraten muss. Dass ich einfach nur ein bisschen Spaß mit ihm haben möchte.“
Obwohl – wenn er sich tatsächlich in sie verliebte … Nein, sie durfte sich nicht erlauben, so zu denken! Damit riskierte sie nur, enttäuscht zu werden. Schließlich wollte sie doch nur ein bisschen Spaß, oder nicht? Sie wünschte nur, die Worte hätten nicht so hohl geklungen, als sie sie aussprach.
„Wahrscheinlich fragt er sich, wo du bleibst“, meinte Ashley.
Colleen ging zur Tür. Die Hand bereits auf der Klinke, drehte sie sich noch einmal zu ihrer Freundin um. „Ich bin in etwa dreißig Minuten zurück und erwarte einen detaillierten Bericht über Scarsdale und deinen lieben alten Vater.“
„Das ist wirklich nicht nötig …“
„Ich kenne dich“, widersprach Colleen. „Du kannst doch nicht schlafen, bevor wir nicht geredet haben. Also werden wir reden.“
Bobby hörte, wie die Tür geschlossen wurde und Colleen durch den Flur zurück zur Küche kam. Er hatte auch gehört, dass sie sich leise mit ihrer Mitbewohnerin unterhalten hatte.
Das alte Gemäuer war mehr als hellhörig.
Das bedeutete, dass es definitiv nicht infrage kam, sie einfach zu packen, wenn sie durch die Tür trat, und sich mit ihr hier auf dem Küchentisch heißem Sex hinzugeben.
Oh Mann, er musste hier raus! Schnellstens.
Er erhob sich, aber im selben Moment stand Colleen auch schon in der Küche und versperrte ihm den Fluchtweg.
„Setz dich hin“, befahl sie. „Nur ein paar Minuten. Ich möchte dir etwas zeigen.“
Sie zog ein Foto aus einem Umschlag und schob es ihm über den Tisch zu. Ein Foto eines kleinen Mädchens, das ernst in die
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