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Brockmann Suzanne

Brockmann Suzanne

Titel: Brockmann Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: ein Wort 10 Taylor - Ein Mann
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Kamera schaute. Sie hatte riesige Augen. Vielleicht wirkten sie auch nur so, weil das Mädchen so mager war. Sie hatte schmale Schultern, ein spitzes Kinn, einen strubbeligen dunkelbraunen Haarschopf und trug Kleider, die ihr kaum passten. Sie mochte etwa sechs oder sieben Jahre alt sein und strahlte solche Verzweiflung und Wildheit aus, dass Bobby sie aus dem Augenwinkel beobachten würde, wenn er ihr auf der Straße begegnete. Oh ja, er würde sie im Auge behalten und nachfühlen, ob seine Geldbörse auch sicher in einer Innentasche seiner Jacke verstaut war.
    „Das war Analena“, erklärte Colleen, „vor zwei Jahren. Bevor meine studentische Kinderhilfsgruppe sie adoptiert hat.“
    Sie legte ein zweites Foto auf den Tisch. „Das hier wurde im letzten Monat aufgenommen.“
    Das Bild zeigte dasselbe Mädchen. Ihre Haare waren länger – dick und seidig glänzend. Sie lächelte – nein, lachte – und rannte über ein Spielfeld einem Fußball hinterher. Ihre Wangen schimmerten glatt und gesund. Mager war sie immer noch, aber das lag daran, dass sie gewachsen war. Sie wirkte schlaksig, ein wenig unbeholfen, aber nicht mehr zerbrechlich, und von der unberechenbaren Wildheit eines Straßenkindes war nichts mehr zu sehen. Sie war wieder ein Kind.
    Colleen legte ihm einen Brief vor, geschrieben in einer großen, etwas ungelenken Kinderschrift:
„Liebste Colleen“, las er schweigend. „Ich habe letzte Nacht geträumt, dass ich dich besuche in USA. So schöner Traum. Ich nicht will aufwachen. Ich hoffe, du einverstanden, dass ich schenke Ivan Fußball von dir. Er viele Male versucht zu stehlen. So ich denke, er darf behalten. Mein Englisch schon besser, nicht? Geschenk von dir, von die amerikanische Bücher und Kassettenspieler und Batterien, die du schicken. Ganz supertolles Geschenk. Viel besser als Fußball. Ivan macht schlimmes Geräusch, denkt nicht so. Aber ich lerne Ivan englische Wörter. Einmal er wird mir danken. Dir auch danken. Schicke bald mehr Briefe. Viel Liebe, Analena.“
    Colleen zog weitere Bilder aus dem Umschlag, Bilder von anderen Kindern. „Analena und etwa fünfundzwanzig andere Kinder leben im Waisenhaus St. Christof, mitten in Tulgerias sogenanntem Kriegsgebiet“, erläuterte sie. „Diese Gegend wurde von dem Erdbeben ganz besonders hart getroffen. Meine Kinderhilfsgruppe steht seit über zwei Jahren in regem Schriftwechsel mit den Nonnen, die St. Christof leiten. Wir haben versucht, legale Mittel und Wege zu finden, diese Kinder aus Tulgeria herauszuholen. Sie sind dort nicht erwünscht, Bobby. Die meisten von ihnen stammen aus gemischten Beziehungen, und niemand will sie. Traurigerweise stehen hier in den USA Familien Schlange, die sich regelrecht um diese Kinder reißen würden, Paare, die verzweifelt nach Adoptivkindern suchen. Aber die tulgerische Regierung lässt sie nicht ausreisen. Sie sind nicht bereit, die Kinder zu ernähren, aber sie geben sie auch nicht her.“
    Die Fotos zeigten die Trostlosigkeit des Waisenhauses. Vernagelte Fenster, abblätternde Farbe, zerbombte Wände. Die Kinder lebten in der Ruine eines Hauses. Auf allen Fotos lächelten die Nonnen – einige in altmodische Nonnentracht gekleidet, andere in Jeans und Turnschuhen –, aber Bobby konnte die feinen Linien um Augen und Lippen sehen, die Anspannung und Seelenqual in ihren Gesichtern hinterlassen hatten.
    „Nach dem Erdbeben“, fuhr Colleen mit sanfter, leiser Stimme fort, „nahmen wir sofort die Chance wahr, ins Land zu kommen.“ Sie schaute Bobby direkt in die Augen. „Unsere Erdbebenhilfe ist nur ein Vorwand. Wir reisen in Wirklichkeit dorthin, um zu versuchen, die Kinder aus dem Kriegsgebiet zu schaffen und in einer Gegend unterzubringen, in der sie sicherer sind. Das Beste wäre natürlich, wir könnten sie mit in die Staaten nehmen, aber wir wissen, dass unsere Chancen dafür gleich null sind.“
    Bobby schaute sie an. „Ich kann gehen“, sagte er. „Colleen, ich tue das für dich. Ich gehe an deiner Stelle.“
    Ja, das könnte funktionieren. Er würde ein paar der anderen Jungs dazu bewegen, mitzukommen. Rio Rosetti, Thomas King und Mike Lee waren noch jung und dumm genug. Sie würden sofort die Gelegenheit ergreifen, eine Woche Urlaub in der brandgefährlichsten Ecke der Welt zu machen. Und Spaceman, Lieutenant Jim Slade. Er war nicht verheiratet und würde auf jeden Fall helfen, wenn Bobby ihn darum bat.
    Allerdings würde er niemals einen seiner verheirateten Freunde bitten, einige ihrer

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