Brockmann Suzanne
Moment in Ohnmacht fallen. Also sagte ich ihm, wir könnten morgen reden, und scheuchte ihn kurzerhand aus der Wohnung.“
In Wirklichkeit hatte sie gar nicht hören wollen, was er zu ihrem schmerzlich ehrlichen Geständnis zu sagen hatte.
In dem Moment lief es ihr nämlich selbst schon heiß und kalt über den Rücken, während sie sich einerseits zu ihrem Mut beglückwünschte, andererseits für ihre Dummheit hätte in den Hintern treten mögen.
Was, wenn sie völlig danebenlag mit ihrer Einschätzung? Was, wenn sie den Ausdruck seiner Augen total falsch interpretierte? Was, wenn sie sich irrte und er sie gar nicht mit kaum verhohlener Sehnsucht und voller Verlangen angeschaut hatte, sondern vielleicht einfach nur unter Bauchschmerzen litt?
„Ich musste den Versuch einfach wagen“, erklärte Colleen ihrer Freundin – und zugleich auch sich selbst.
Ashley saß mit gekreuzten Beinen auf ihrem Bett, ihren alten, abgewetzten Teddybären im Arm. Den hatte sie mit drei Jahren geschenkt bekommen, als sie mit Windpocken im Bett lag, und er teilte immer noch das Bett mit ihr, obwohl sie inzwischen vierundzwanzig war.
Irgendwie war es paradox. Colleens Freundin hatte alles, was man sich nur wünschen konnte: Geld, ein hübsches Gesicht, einen schlanken, vollkommenen Körper, keine drastischen Gewichtsschwankungen, nur beste Noten, einen tadellosen Geschmack.
Colleen hingegen hatte etwas, was Ashley nicht hatte und was Colleen gegen nichts auf der Welt eingetauscht hätte – auch nicht gegen sämtliche Goldreserven in Fort Knox. Niemals. Colleen hatte Eltern, die ihr den Rücken stärkten, und zwar immer und uneingeschränkt. Sie wusste ohne jeden Zweifel, dass ihre Eltern hinter ihr standen, ganz gleich, was sie tat. Im Gegensatz zu Mr DeWitt, der grundsätzlich nur an Ashley herumkrittelte.
Colleen konnte sich nicht einmal vorstellen, wie es sein musste, in einem solchen Elternhaus aufgewachsen zu sein. Sie malte sich aus, wie Ashley als kleines Mädchen verzweifelt versuchte, es ihrem Vater recht zu machen – immer vergebens.
Was ist das, Ashley? Ein Geschenk für mich? Eine Keramikschüssel? Du hast sie selbst auf der Töpferscheibe gedreht, in der Schule? Na ja – die Nächste wird sicher besser, nicht wahr?
Natürlich waren auch Colleens Eltern alles andere als vollkommen. Niemandes Eltern waren vollkommen. Aber ihre Eltern liebten sie bedingungslos. Daran brauchte sie nie zu zweifeln.
„Willst du mir erzählen, was passiert ist?“, fragte sie Ashley.
Ihre Freundin seufzte. „Ich bin so dumm.“
Colleen wartete schweigend.
„Es gab da einen neuen Mitarbeiter in der Kanzlei meines Vaters“, erzählte Ashley schließlich. „Brad Hennesey.“ Tränen schossen ihr in die Augen, und sie lachte gequält. „Oh Gott, ich bin so eine Idiotin! Ich kann nicht mal seinen Namen nennen, ohne …“ Sie wischte sich hastig die Tränen weg.
Colleen reichte ihr eine Packung Papiertaschentücher und wartete, während Ashley sich die Nase putzte.
„Er war so nett“, fuhr Ashley fort. „Ich meine, natürlich erwartete ich nicht, dass er mir gegenüber nicht nett sein würde – schließlich bin ich die Tochter des Chefs. Aber er wirkte so aufrichtig, so …“ Sie lachte schmerzlich. „Oh ja, er war einfach vollkommen. Klug, gut aussehend, mit strahlend weißen Zähnen und dem Körper eines Models. Wir mochten dieselben Bücher, dieselben Filme und … ich habe mich in ihn verliebt. Wie konnte ich nur so blöd sein!“
Colleen wartete und betete, dass sie sich irrte.
„Aber dann fand ich heraus, dass mein Vater ihn aus gutem Grund eingestellt hatte: Brad gehörte zu seinem Plan, mit dem er sicherstellen wollte, dass ich nach dem Studium zurückkomme und in seiner Kanzlei arbeite. Er hat ihm versprochen, ihn zum Sozius zu machen, wenn wir uns verloben. Jetzt, wo ich dir das erzähle, klingt das vollkommen lächerlich. Kannst du dir so etwas überhaupt vorstellen?“
Colleen konnte. Sie hatte Ashleys Vater kennengelernt. „Oh, Ash“, seufzte sie, „wie bist du dahintergekommen?“
„Brad hat mir alles gestanden“, antwortete Ashley. „Er hat mich mitten in der Nacht angerufen und gesagt, er müsse mich unbedingt sehen. Sofort. Dann kam er zu uns nach Hause, und wir gingen in den Garten und … Er war furchtbar durcheinander! Er sagte, dass er mich liebt … dass er mir mit Haut und Haaren verfallen sei und mir reinen Wein einschenken wolle, bevor … Er könne einfach nicht mehr in den Spiegel
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