Brockmann Suzanne
Stunden nach Virginia fliegst. Versuch, sie zu überreden, wieder hierherzukommen, wenn du abreist. Sie sollte jetzt wirklich nicht allein sein.“
Colleen ließ die Türglocke läuten wie schon zuvor das Telefon.
Sie wollte jetzt mit niemandem reden, niemanden sehen, niemandem erklären müssen, warum ein kleines Mädchen, dem sie nie persönlich begegnet war, ihr so sehr ans Herz gewachsen war.
Sie wollte nichts weiter tun als hier liegen, auf ihrem Bett, in ihrem Zimmer, hinter herabgelassenen Jalousien, und weinen. Weinen über die Ungerechtigkeit einer Welt, in der Waisenhäuser bombardiert wurden. In einem Krieg, den es eigentlich gar nicht gab.
Und doch war Alleinsein im Grunde das Letzte, was sie jetzt wollte. Als sie noch ein Kind war, war sie immer zu ihrem Bruder Ethan gegangen, wenn ihre Welt in Scherben ging und sie jemanden brauchte, bei dem sie sich ausweinen konnte. Er stand ihr altersmäßig am nächsten und war das einzige Kind der Familie Skelly, das weder das berüchtigt explosive Temperament noch die spitze Zunge noch die typische Ungeduld geerbt hatte.
Sie hatte ihn geliebt, und auch er war gestorben. Was hing ihr nur an, dass die Menschen, die sie liebte, sangund klanglos aus ihrem Leben verschwanden? Sie starrte zur Decke hoch, betrachtete die Risse, die sie sich in viel zu vielen schlaflosen Nächten eingeprägt hatte. Inzwischen hätte sie eigentlich lernen müssen, sich vor der Liebe zu verschließen und das Glück nicht herauszufordern. Unsinn! Vielleicht war sie einfach dumm, aber das würde sie nie lernen, wollte sie auch nie lernen.
Jeden Tag verliebte sie sich unzählige Male aufs Neue. Wenn sie an einem kleinen Mädchen mit ihrem Hund vorbeiging. Wenn ein Baby sie aus seinem Kinderwagen mit großen Augen anstarrte und dann plötzlich lächelte. Wenn sie beim Spazierengehen ein älteres Ehepaar sah, das Händchen hielt. Sie verlor ihr Herz an sie alle.
Trotzdem wollte sie wenigstens einmal nicht nur Zeuge des Glücks anderer sein. Sie wollte selbst Glück erleben.
Sie wollte Bobby.
Es war ihr egal, als die Türklingel endlich verstummte und dafür wieder das Telefon klingelte. Sie wusste ja, dass wahrscheinlich Bobby dran war, und begann nur noch heftiger zu weinen, weil sie ihn zu sehr bedrängt hatte und er sie jetzt auch verließ.
Denn er wollte ihre Liebe nicht, unter keinen Umständen. Nicht einmal schnell, leicht und ohne Verpflichtungen – so wie sie sie ihm angeboten hatte.
Sie lag auf ihrem Bett mit hämmernden Kopfschmerzen und brennenden Augen, weil sie bereits seit Stunden weinte und einfach nicht aufhören konnte.
Aber dann war sie nicht mehr allein. Sie wusste nicht, wie er hereingekommen war. Ihre Tür war abgeschlossen. Sie hatte nicht einmal Schritte gehört, aber Bobby stand plötzlich neben ihrem Bett.
Er zögerte keine Sekunde, sondern legte sich zu ihr und zog sie in seine Arme. Wortlos hielt er sie an sich gedrückt, wärmte sie mit seinem ganzen Körper.
Sein Hemd lag weich an ihrer Wange. Er roch nach frisch gewaschener Wäsche und Kaffee. Endlich war auch der letzte Hauch von Zigarettenrauch, der sonst in seiner Kleidung und seinen Haaren hing, verschwunden.
Aber es war schon spät. Wenn er noch rechtzeitig nach Logan wollte, um seinen Flieger nach Norfolk zu erreichen … „Du musst bald gehen“, sagte sie. Sie versuchte, stark zu sein, wischte sich das Gesicht ab und hob den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen.
Für einen Mann, der eine wirklich furchterregende Grimasse aufsetzen konnte, wenn er wollte, hatte er äußerst sanfte, freundliche Augen. „Nein, muss ich nicht.“
Colleen konnte nichts dagegen tun. Wieder schossen ihr die Tränen in die Augen, und ein stummes Schluchzen schüttelte ihren Körper.
„Ist schon gut“, murmelte er. „Wein ruhig. Ich halte dich, Süße. Ich bin da. Ich halte dich fest, solange du mich brauchst.“
Sie klammerte sich an ihn.
Und er hielt sie einfach nur in den Armen.
Als sie endlich einschlief, hielt er sie immer noch und strich ihr mit den Fingern sanft durchs Haar. Ihr letzter Gedanke vorm Einschlafen kreiste um die Frage, was er wohl sagen würde, wenn er herausfand, dass sie ihn den ganzen Rest ihres Lebens brauchen würde.
Bobby erwachte langsam. Wo immer er sich auch befinden mochte, er war nicht in seiner Wohnung auf dem Stützpunkt. Und er war ganz sicher nicht allein.
Wie der Blitz traf ihn die Erkenntnis. Massachusetts. Colleen Skelly.
Sie lag an ihn gekuschelt zugleich über und
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