Brockmann Suzanne
und deine SEALs waren die Einzigen, die den Mut hatten, den Versuch zu wagen und sie da rauszuholen. Ihr habt Sprengstoff benutzt, und mit gerade mal sieben Mann habt ihr den Feind von einer Großoffensive überzeugt. Das reichte als Ablenkung, um einen Hubschrauber dort landen zu lassen und die Männer auszufliegen.”
„Weißt du was? Ich erinnere mich daran”, sagte Jake. „Das war eines der gewagten Manöver, die sich tatsächlich auszahlten. Dein Vater gehörte also zu diesen Männern.”
„Siehst du denn nicht, dass du dich mit deiner Entscheidung für die Gruppe um meinen Vater zugleich gegen Dutzende andere Marines entschieden hast, die an jenem Tag auch Hilfe gebraucht hätten?”
Jake wusste nicht, was er dazu sagen sollte. „Ich glaube, so habe ich das noch nie gesehen.”
„Alles reine Glückssache”, fuhr sie ernsthaft fort und sah ihn aus diesen unglaublich schönen braunen Augen an. „Jede Entscheidung, jede Wahl. Du hörst auf dein Bauchgefühl und musst auf dich selbst vertrauen. Aber wenn alles gesagt und getan ist, dann musst du das Leben feiern. Vierundsiebzig Männer sind zu ihren Frauen und Müttern nach Hause zurückgekehrt - weil du da warst. Vierundsiebzig Leben, die du unmittelbar berührt hast. Und Hunderte, die du indirekt beeinflusst hast. Mütter, die keine zwanzig Jahre um ihren vermissten Jungen trauerten. Frauen, die ihre Kinder nicht allein aufziehen mussten. Kinder, die nicht ohne Vater aufwachsen mussten. Oder Kinder wie ich, die nicht einmal zur Welt gekommen wären.”
„Das weiß ich alles. Ich wünschte nur ...” Er seufzte. „Mir kam es immer zu wenig vor. Jedes Mal wünschte ich mir, ich hätte noch einen Mann mehr retten können. Und dann noch einen mehr und noch einen. In Wahrheit hätte ich jeden Tag fünfhundert retten können, und es wären immer noch zu wenig gewesen.”
„Du sagtest, du seist nicht der Superheld aus Scooter Jennings Buch, sondern einfach nur ein Mann”, sagte Zoe. „Wenn das so ist, dann solltest du die Forderungen, die du an dich selbst stellst, auf ein normales menschliches Maß zurückschrauben.” Sie atmete tief durch. „Und wenn ich schon dabei bin: Ich frage mich, warum ein Mann, der so lebendig ist wie du, seine Zeit damit vertun kann, sich an die Toten zu klammern.”
Jetzt sprach sie nicht mehr von Vietnam. Sie redete von Daisy.
„Erlaube dir zu trauern und lass sie los, Jake”, flüsterte sie.
Wie konnte er nur an Daisy denken, während er Zoe ins Gesicht sah und sich nichts sehnlicher wünschte, als sie zu küssen?
Erlaube dir zu trauern und lass sie los ...
„Wir sollten zurückgehen”, flüsterte Jake. „Es wird schon dunkel. Dir muss doch kalt sein.”
„Mir ist nicht kalt”, erwiderte sie und senkte ihren Blick kurz auf seine Lippen, bevor sie ihm in die Augen schaute. „Dir?”
Er hielt es nicht mehr aus. „Ich will dich wirklich küssen”, flüsterte er. „Es bringt mich um, hier zu sitzen, dich so zu halten und dich nicht zu küssen.”
„Dann küss mich”, entgegnete sie heftig. „Du bist doch nicht derjenige, der gestorben ist, verdammt noch mal!”
Jake rührte sich nicht. Er musste sich auch nicht rühren, denn sie küsste ihn.
Einen winzigen Augenblick lang gab es einen Kampf zwischen dem, was er wollte, und dem, was er sollte. Das, was er wollte, gewann.
Er küsste sie beinahe grob, so heftig war er entflammt, nahm von ihrem Mund Besitz, zog sie auf sich, sodass sie auf seinen Beinen lag. Die Hitze ihrer Lenden wärmte ihn, ihre Brüste lagen weich auf seiner Brust, während er sich in der hungrigen Süße dieses Kusses verlor.
Er hörte sich selbst aufstöhnen, als er seine Finger über ihren Rücken und unter ihr T-Shirt gleiten ließ.
Er hätte sich möglicherweise hinreißen lassen. Möglicherweise? Er wusste verdammt genau, dass er sich auf jeden Fall hätte hinreißen lassen. Wenn Zoe in diesem Moment an seinen Kleidern gezerrt und nach seiner Gürtelschnalle gegriffen hätte, wäre es ihm nicht länger gelungen, sich gegen sie und sich selbst zu wehren. Er hätte sie geliebt, gleich hier auf dem Dach.
Aber sie löste sich aus seinen Armen, rückte von ihm weg, warf sich förmlich anderthalb Meter zurück. Ihr Atem ging schwer, und sie fluchte leise in sich hinein. „Es tut mir leid.” Sie ließ ihren Kopf auf die Arme sinken, die sie um ihre Knie geschlungen hatte, unfähig, ihm in die Augen zu schauen. Ihre Stimme klang gedämpft: „Ich habe dir versprochen, dich nicht
Weitere Kostenlose Bücher