Brockmann Suzanne
Mal wissen ließ, dass er eine solche Entwicklung ihrer Beziehung nicht wollte.
Klar: Wenn sie in dem Moment nicht die Notbremse gezogen hätte, wären seine guten Vorsätze vermutlich vergessen gewesen. Er hätte sich wahrscheinlich hinreißen und von ihrer Leidenschaft überwältigen lassen.
Sie beobachtete im Spiegel, wie er sich das T-Shirt über den Kopf zog und seinen Gürtel löste. Er schaute kurz auf, und sie wandte sich hastig ab. Zu spät. Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. Na toll! Jetzt hatte er sie auch noch dabei erwischt, wie sie ihn beim Ausziehen beobachtete.
Anstatt sich abzuwenden, beugte er sich zu ihr hinüber. „Wenn dich das stört, kann ich mein T-Shirt anbehalten.”
Sie brauchte ein paar Sekunden, um zu begreifen, wovon er redete. Die Narben auf seiner Brust.
„Nein”, sagte sie. War er denn verrückt? Glaubte er allen Ernstes, dass sie ihn wegen seiner Narben anstarrte? Es wäre glatt zum Lachen gewesen, wenn sie noch so viel Sinn für Humor gehabt hätte. „Ehrlich, Jake, das stört mich überhaupt nicht.”
Er betrachtete sich kritisch im Spiegel. „Schon seltsam. Vietnam habe ich ohne einen Kratzer überstanden. Und dann passiert das - zu Hause, wo man sich sicher fühlen sollte.”
„Wenn ich mir diese Narben anschaue”, sagte Zoe leise, „dann ist es mir unbegreiflich, wie du das überleben konntest. Das war ein Mordanschlag, richtig?”
Jake nickte. Die Mörder waren in sein Haus eingedrungen. Sie hatten sich als Navy SEALs ausgegeben, die angeblich wegen der diversen Morddrohungen zu seinem Schutz abkommandiert worden waren. Die Navy brachte ihn schwer verletzt in ein sicheres Krankenhaus und ließ öffentlich vermelden, er sei tot. Das geschah zum einen zu seinem Schutz, zum anderen, um den Mann zu überführen, der hinter dem Komplott stand.
Zoe war gerade in Kuwait gewesen, als sie auf CNN die Nachricht von seinem Tod hörte. In jener Nacht saß sie stundenlang auf dem Balkon ihres Hotelzimmers, schaute über die Lichter der Stadt und trauerte um den Mann, dem sie nie begegnet war.
Ihre Blicke trafen sich im Spiegel. „Das geschah vor zwei Jahren, zu Weihnachten. Ich habe lange gebraucht, mich davon zu erholen. Körperlich.” Er drehte sich um und warf sein T-Shirt auf den Haufen Schmutzwäsche in der Ecke des Zimmers, nahm seine Geldbörse, sein Schlüsselbund und eine Handvoll Münzen aus den Hosentaschen und begann, die Münzen fein säuberlich sortiert auf der Kommode zu stapeln. „Weißt du, eigentlich ist es nicht weiter tragisch, angeschossen zu werden. Du erholst dich Schritt für Schritt von deinen Verletzungen. Man kümmert sich um dich. Die Ärzte haben schon öfter Schussverletzungen behandelt. Jeder weiß, was zu tun ist. Erst werden die Kugeln herausgeholt, dann wirst du genäht. Es wird eine Drainage gelegt, du wirst verbunden und in ein Krankenbett verfrachtet. Da liegst du dann und konzentrierst dich aufs Überleben. Einen Tag nach dem anderen. Wenn es sein muss, auch eine Stunde nach der anderen. Der Verband wird gewechselt, die Wunden werden gesäubert, dein Körper wehrt sich gegen Infektionen, und du schläfst die meiste Zeit, weil dein Körper Kraft braucht, um zu heilen. Wenn du aus der Intensivstation entlassen wirst, hörst du auf, nur zu überleben, und beginnst, neue Kraft zu schöpfen. Zunächst durch Bettruhe. Dann wirst du langsam wieder mobil. Du leidest höllische Schmerzen, aber du stehst auf und machst einen Schritt. Dann zwei. Und irgendwann schaffst du es bis zur Toilette und zurück, ohne zusammenzubrechen. Dann folgt die physikalische Therapie, Übungen, um wieder zu Kräften zu kommen.”
Er schwieg einen Moment. „Auch wenn keine zwei Fälle absolut identisch sind”, fuhr Jake fort, „und ich bei jedem Schritt vor sehr individuellen Herausforderungen stand, war der Weg doch ziemlich klar vorgezeichnet. Wenn ich dies tue, dann verbessert sich mein Zustand. Wenn ich das tue, geht es sehr viel schneller. Wenn ich jenes tue, schade ich mir damit, also tue ich jenes nicht.”
Zoe begriff. Er sprach über weit mehr als sein körperliches Trauma. Er versuchte, sich selbst zu erklären, seine Gefühle und die Gründe, warum er sie an diesem Nachmittag erneut zurückgewiesen hatte.
„Sich seelisch zu erholen ist nicht ganz so leicht.” Einen Moment betrachtete er die säuberlich gestapelten Münzen, dann schob er sie mit einer einzigen Handbewegung zusammen und ließ sich aufs Bett fallen.
Er rieb sich mit der Hand den
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