Brockmann Suzanne
versuchte schließlich, so still wie möglich zu sein.
Er horchte noch genauer hin, versuchte, das Geräusch ihrer Schritte zu hören. Doch alles, was er wahrnahm, war das laute Pochen seines eigenen Herzens.
Endlich sagte sie wieder etwas.
„Ich bin drüben“, berichtete sie beinahe lautlos. Harvard atmete zum ersten Mal nach ewig langer Zeit durch.
Sie schwieg wieder für zwei, drei Minuten. Er stellte sich vor, wie sie eine Treppe hinabstieg und lautlos durch Flure schlich, in denen sie sich nirgends hätte verstecken können.
Verdammt, die ganze Aktion dauerte viel zu lange! P. J. war jetzt schon beinahe fünfundzwanzig Minuten in dem Gebäude. Es blieben ihr nur noch fünf Minuten, bevor sie umdrehen und den Rückweg antreten musste. Ansonsten würde sie riskieren, entdeckt zu werden; man könnte bei der Wachablösung die beiden Wachen finden, die sie vorübergehend außer Gefecht gesetzt hatten.
„Ich habe das erste Krankenzimmer gefunden“, sagte P. J. schließlich. „Das Zimmer in der nordöstlichen Ecke des Gebäudes ist unbeleuchtet und leer. Ich gehe jetzt weiter zu dem zweiten Raum in der vorderen Mitte.“
Er hörte, wie sie die Luft anhielt. „Lagebericht“, forderte er. „P. J., was ist da los?“
„Vor der Tür des zweiten Krankenzimmers sitzt eine Wache. Der Mann schläft.“ Sie atmete leise ein. „Aber die Tür ist offen. Ich gehe jetzt einfach an ihm vorbei.“
Harvard setzte sich aufrecht hin. „Geh rein und mach die Tür hinter dir zu. Dann verschließ sie. Tu, was du kannst, damit sie nicht hinter dir in den Raum kommen können. Verstanden?“
P. J. zog ihr Mikrofon näher an den Mund. „Harvard, die Verbindung bricht ab. Ich habe noch gehört, dass ich die Tür hinter mir abschließen soll, aber der Rest ging verloren. Bitte wiederhol noch einmal.“
Nichts.
Verdammt. Was hatte er ihr nur sagen wollen? Was würde es ihr bringen, sich mit dem Captain zusammen in diesen Raum einzusperren? Und sie wusste ja noch nicht einmal, ob Joe in dem Zimmer war.
Sie bewegte sich ganz langsam und vorsichtig auf den schlafenden Wachmann zu.
Sie würde es schaffen. Sie konnte genauso unsichtbar und leise sein wie Harvard – solange sie sich in einer Stadt oder in einem Gebäude befand.
Das Schnarchen des Wächters brach für einen Moment ab, als sie beinahe direkt neben ihm stand. Aber dann schnaufte er laut auf und begann erneut, heftig im Schlaf zu atmen. Sie schlüpfte durch die Tür.
Und fand auf der anderen Seite Captain Joe Catalanotto. Er lag auf dem Boden.
Offensichtlich hatte er sich von dem Bett losgemacht, an das er mit Handschellen gefesselt gewesen war. Die geöffneten Metallringe hingen immer noch am Bettgeländer.
Irgendwie war es ihm gelungen, sich zu befreien.
Aber er hatte nicht mehr die Kraft gehabt, mehr als ein paar Schritte zu gehen. Dann war er zusammengebrochen. Anscheinend so leise, dass der Wachmann nichts davon bemerkt hatte.
P. J. schloss die Tür leise hinter sich und verriegelte sie, genau wie Harvard ihr geraten hatte. Ohne den schwachen Strahl der Notbeleuchtung aus dem Flur war der Raum völlig dunkel.
Sie nahm ihre Taschenlampe heraus und schaltete sie an. Rasch überprüfte sie, ob der Raum eine zweite Tür besaß, durch die sie hätten fliehen können.
Es gab keine.
Das war doch verrückt! Sie hatte die Tür verschlossen, aber irgendjemand auf der anderen Seite musste einen Schlüssel dafür besitzen.
Atemlos kniete sie sich neben Joe und fühlte seinen Puls.
Bitte, lieber Gott …
Seine Haut fühlte sich kalt und feucht an. Ihr Magen drehte sich um. Um Gottes Willen! Sie waren zu spät gekommen.
Aber halt – da war sein Puls. Er war viel zu schwach, viel zu langsam, aber Joe lebte noch.
„Daryl, ich habe ihn gefunden“, flüsterte P. J. in ihr Mikrofon. „Er lebt, aber nicht mehr lange, wenn wir ihn nicht sofort hier rausholen.“
Zunächst hörte sie nur Rauschen. Plötzlich konnte sie auch Harvards Stimme vernehmen, verstand aber nicht, was er sagte. „ … schreib … Fund …“
Schreib? Fund?
Beschreib den Fundort!
Das tat sie sofort. Sie informierte Harvard genau, wie viele Meter von der nordöstlichen Gebäudeecke der Raum lag, in dem Joe und sie sich befanden. Sie beschrieb auch die Größe und den Schnitt des Krankenzimmers und gab Harvard eine Liste mit allen Einrichtungs- und Ausrüstungsgegenständen durch, die sich in dem Raum befanden.
Außerdem beschrieb sie detailliert den Zustand des Captains, während sie
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