Brockmann Suzanne
mit meinen Liebhabern gebe.“ Sie schüttelte den Kopf. „Was ist an diesem Bild nur falsch?“
„Sie sollen diese Liste doch nicht mir geben! Die FInCOM wird Sie kontaktieren.“
„Aber Sie werden sie doch wohl auch zu sehen bekommen.“ Sie erhob sich. „Wahrscheinlich haben Sie meine aktuelle Akte auch schon gelesen, oder?“
Crash klappte die Leiter zusammen und befestigte die beiden Streben sorgsam aneinander. „Soll ich die zurückstellen?“
„Nein, lassen Sie sie hier. Wir brauchen sie bestimmt noch einmal.“
Er lehnte die Leiter an die Wand und schlug vor: „Wie wäre es, wenn wir uns zum Abendessen eine Pizza kommen lassen?“
„Sie unterschlagen absichtlich Ihre Antwort auf meine Frage.“ Nell schlüpfte in ihre Jacke und wickelte sich den Schal um den Hals. „Das machen sie andauernd so. Glauben Sie bloß nicht, ich würde das nicht merken. Sie wechseln einfach das Thema, um mir nicht antworten zu müssen. Das ärgert mich maßlos, wissen Sie.“
Es hörte sich beinahe so an, als hätte Crash geseufzt.
Oder hatte Nell sich das nur eingebildet? Verdammt, er gab wirklich nichts preis. Sie verschränkte die Arme.
„Haben Sie keinen Hunger?“, fragte er. „Ich jedenfalls schon.“
„Ich warte noch auf eine Antwort“, erwiderte sie. „Wenn ich mich recht erinnere, lautete die Frage: Sie kennen meine FInCOM-Akte, nicht wahr ?“
Er schaltete das Deckenlicht aus. In dem Halbdunkeln des Raumes sahen die drei Tannen, die sie gerade dekoriert hatten, spektakulär aus. Die bunten Lichter leuchteten und die Kugeln glitzerten in ihrem Schein.
„Ich weigere mich, die Bäume anzusehen. Ich will jetzt nicht abgelenkt werden!“, schimpfte Nell und hielt ihre Hände wie Scheuklappen an ihre Schläfen. „Ich bleibe genau hier stehen, bis Sie mir meine Frage beantwortet haben.“
Crash musste beinahe lachen. Und zumindest dieses eine Mal wusste sie ganz genau, was er dachte: Wie konnte sie auch nur davon träumen , dieses Kräftemessen gegen ihn zu gewinnen?
Die Ant wort hie rauf war ein fach: Sie hat te kei ne Chan ce. Es gab überhaupt nichts, was sie hätte tun können, um ihn dazu zu bringen, ihr ihre Frage zu beantworten.
Also antwortete sie an seiner Stelle.
„Ja“, sagte sie. „Sie haben die Akte gesehen. Ich weiß, dass Sie sie gesehen haben, sonst hätten Sie es mir längst gesagt. Also, was soll das Theater? Wahrscheinlich stehen ohnehin nur lauter langweilige Fakten darin. Wuchs in Ohio auf, in der Nähe von Cleveland. Ältestes von drei Kindern. Ging auf die New York University. Machte nach vier Jahren einen Abschluss in den Geisteswissenschaften. Nahm – jung und dumm – eine Stelle als persönliche Assistentin eines Broadway-Musical-Regisseurs an, dem nebenbei noch eine Supermarktkette gehörte. Begann ein paar Jahre später für Daisy Owen zu arbeiten. Na, kommt Ihnen irgendetwas davon bekannt vor?“
Er sagte kein Wort. Nicht, dass sie das wirklich erwartet hatte.
„Mein Privatleben ist genauso langweilig. In den letzten sechs Jahren hatte ich Beziehungen mit drei Männern. Alle drei waren nette Typen mit guten Jobs und soliden Zukunftsplänen. Zwei haben mir einen Antrag gemacht. Ich glaube, sie dachten, sie hätten den ganz großen Fang gemacht – eine Ehefrau, die gleichzeitig persönliche Assistentin spielen würde. Ich war die Traumfrau jedes Yuppies: Kauf mir Unterwäsche von Victoria’s Secret, und ich bin perfekt. Ich habe beide Anträge abgelehnt. Der Einzige, der nicht um meine Hand anhielt, erschien hingegen mir lange Zeit als der große Fang. Ich wollte ihn unbedingt haben – nur um dann festzustellen, dass er genauso langweilig war wie die beiden anderen. Meine Mutter ist davon überzeugt, dass die Märchen schuld sind, die ich als kleines Mädchen gelesen habe. Sie denkt, ich warte immer noch auf den Prinzen auf dem weißen Ross. Wahrscheinlich hat sie sogar recht, obwohl ich nicht sicher bin, dass das auch in meiner Akte steht.“
Crash sagte endlich etwas. „Wahrscheinlich nicht so ausführlich. Aber alle FInCOM-Akten beinhalten auch ein psychologisches Gutachten. Der Grund, warum Sie noch unverheiratet sind, wird darin sicherlich auch angesprochen.“
Nell schnaubte. „Himmel, ich kann mir nur zu gut vorstellen, wie die FInCOM-Seelenklempner im Kreis sitzen und meine Psyche auseinandernehmen. ‚Die fragliche Person ist ein totaler Feigling. Sie sitzt an ihren freien Tagen herum und liest. Nie macht sie irgendetwas auch nur ansatzweise
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